Gesunde Lichtplanung wird in Gesundheitseinrichtungen immer noch vernachlässigt. Der Stuttgarter Lichtdesigner Frank Nowicki erzählt von vergebenen Chancen und schnelleren Heilungen.
Einst zählten Lichtplaner im Architekturgeschäft zu den Esoterikern – irgendwo verortet zwischen Feng Shui-Meistern und Wünschelrutengehern. Viele Jahre und tausende naturwissenschaftliche Studien später besteht wenig Zweifel, dass Wohnen und Arbeiten im künstlichen Licht ein Mindestmaß an Regeln einhalten sollten. Denn Licht ist ein wichtiges Steuerinstrument für den menschlichen Körper. Der Stuttgarter Lichtplaner und Designer Frank Nowicki hat ein Buch mit dem sehr grundsätzlichen Titel geschrieben: „Jeder Mensch hat das Recht auf gutes Licht.“
Herr Nowicki, was denkt sich der Lichtplaner, wenn er ein Krankenhaus betritt?
Frank Nowicki: Ich sehe in erster Linie Stromvernichtungsgeräte und Blendapparaturen. Es werden Baunormen erfüllt, die aber nicht ausreichen. Das Licht sammelt sich in der Decke, ist nach dem Empfinden der Menschen zwar blendend hell, es versteht aber nicht wirklich einen Raum auszuleuchten. Im Wesentlichen ist die Lichtversorgung eines großen Krankenhauses oder einer Pflegeeinrichtung immer noch Angelegenheit des Hauswartes. Die Chancen einer guten und gesunden Lichtversorgung werden alle liegen gelassen.
Was ist an den aktuellen Baunormen so schlecht?
Sie beschreiben ein extrem niedrig angesetztes Mindestmaß, das die Auswirkungen von Licht auf Körper und Psyche des Menschen nicht berücksichtigt. Wir lassen ein wirksames Instrument zur Verbesserung unserer Lebensumstände völlig ungenutzt.
Welchen Stellenwert hat Lichtgestaltung bei Errichtern und Architekten von Gesundheitseinrichtungen?
Wir sind die Normenübererfüller. Wir gelten bei vielen Betreibern von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen immer noch als reiner Kostenfaktor. Aber ich bemerke in anderen Bereichen ein Umdenken. Wir arbeiten gerade an einem Konzept für eine mitteldeutsche Kommune, die Beleuchtung des öffentlichen Raumes ohne nach oben strahlenden Lichtsmog und ohne Blaulicht zu gestalten – und das alles energieeffizient. Blaulicht steht im Verdacht, die Produktion des für den Schlaf verantwortlichen Hormons Melatonin zu senken. Ich merke aber schon, dass das Thema Lichtgestaltung an Akzeptanz gewinnt.
Was bringt eine aus Ihrer Sicht gesunde Lichtsteuerung in Gesundheitseinrichtungen?
Den Patienten und dem Personal wird ein völlig unnatürlicher Tag-Nacht-Rhythmus vorgegaukelt. Ich halte es für wichtig, die Bewohner von Pflegeheimen und Spitälern tagsüber aus ihrem Dämmerschlaf herauszuholen. Wir haben in vielen Heimen tagsüber zu wenig und nachts zu viel Licht. Abends sollte man Lichtleistung und Farbtemperatur nach und nach
herunterfahren, damit auch die Bewohner und Pflegekräfte runterkommen können. Mit angepasstem Licht erreichen wir nachts mehr Ruhe und besseres Durchschlafen – und das verbessert dann auch tagsüber die Aufnahmefähigkeit. Tagsüber brauchen wir im Alter wegen zunehmender Linseneintrübung wiederum mehr Licht, um den circadianen Rhythmus zu stimulieren. Damit ist der natürliche, vom Licht gesteuerte Tag-Nacht-Rhythmus gemeint.
Gibt es Alltagseffekte?
Ausgeschlafene und entspannte Patienten, beschleunigte Heilungen, entlastetes Personal. Dazu gibt es etliche Studien. In der Praxis sieht es aber so aus: Wer im Krankenhaus auf die Toilette geht, schaltet ein viel zu helles Licht ein und ist erst mal wach. Die Zirbeldrüse hört sofort auf, Melatonin auszuschütten – und es braucht bis zu einer Stunde, bis die Zirbeldrüse mitkriegt, dass noch Nacht ist. Mit diesem Wissen im Hintergrund lässt sich sehr viel erreichen.
Frank Nowicki, Jeder Mensch
hat das Recht auf gutes Licht;
ISBN 978-3-00-0648700;
176 Seiten, 32 Abbildungen, 24,70 €.
www.frank-nowicki.de