Rückblick auf die zweite DNGK-Tagung „Gesundheitskompetenz – mehr als Gesundheitswissen!“ in Fulda: Einrichtungen, die Bürgerinnen und Bürger bei Gesundheitsfragen unterstützen, tragen eine besondere Verantwortung: Sie sollen Rahmenbedingungen schaffen, die es Menschen ermöglichen, Gesundheitsinformationen und -dienste zu finden und informierte Entscheidungen zu treffen. Wie gut gelingt das in der Gesundheitsversorgung, im Bildungs- und Erziehungssystem oder in Kommunen?
Die zweite Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Gesundheitskompetenz e.V. (DNGK) fand am 6. und 7. Juni 2024 an der Hochschule Fulda statt. Sie wurde in Kooperation mit dem Public Health Zentrum Fulda (PHZF) an der Hochschule Fulda, dem „Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz“ und der „Allianz für Gesundheitskompetenz in der Schule“ durchgeführt. Tagungsschwerpunkte waren die Rahmenbedingungen, die es Menschen erleichtern, Gesundheitskompetenz im Alltag umzusetzen.
Gesundheitskompetenz – mehr als Gesundheitswissen
Unter dem Tagungsmotto „Gesundheitskompetenz – mehr als Gesundheitswissen!“ diskutierten mehr als 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Aktive und Interessierte darüber, wie Einrichtungen, etwa Kliniken und Schulen, Gesundheitsinformationen besser zugänglich, verständlich und anwendbar machen können.
„Die Verantwortung für Gesundheitskompetenz liegt nicht nur bei den Menschen selbst, sondern vor allem bei den Systemen wie den Erziehungs- und Bildungssettings oder dem Gesundheitssystem“, betonte die Vorsitzende des DNGK-Vorstands, Corinna Schaefer. Schließlich hänge das Ausmaß der persönlichen Gesundheitskompetenz von der jeweiligen Situation, dem Anwendungskontext, der Komplexität des jeweiligen Systems und dessen Rahmenbedingungen ab.
Die Tagung bot ein umfassendes Programm mit mehr als 15 interaktiven Workshops und Vortrags-Symposien, die viele Gelegenheiten boten, um sich mit DNGK-Mitgliedern, Forschenden und Praxisakteuren auszutauschen. Im Fokus der Tagung standen folgende Schwerpunkte:
■ Professionelle Gesundheitskompetenz (z.B. in Gesundheits-, Sozial-, Erziehungs- und Bildungsberufen)
■ Instrumente zur Messung und Werkzeuge zur Förderung organisationaler Gesundheitskompetenz
■ Entwicklung von, Zugang zu und Bereitstellung von verlässlichen Gesundheitsinformationen
■ Erfahrungen mit der Implementation von organisationaler Gesundheitskompetenz – Theorie und Praxis
■ Anforderungen an und Erfahrungen mit Maßnahmen zur Erhöhung organisationaler Gesundheitskompetenz
DNGK-Fachbereiche
Die Fachbereiche des DNGK stellten sich mit Poster-Präsentationen vor und beteiligten sich u.a. durch folgende Workshops und Symposien am Programm der Tagung:
■ Fachbereich Organisationale Gesundheitskompetenz: Auf dem Weg zur gesundheitskompetenten Organisation: Welchen Beitrag leisten die berufliche Bildung sowie das Qualitäts- und betriebliche Gesundheitsmanagement?
■ Fachbereich Gesundheitsberufe: Professionelle Gesundheitskompetenz – Angehörige der Gesundheitsberufe im Gespräch
■ Fachbereich Pädagogik: Allianz Gesundheitskompetenz in der Schule und Synergien mit dem Fachbereich „Pädagogik“ im Deutschen Netzwerk Gesundheitskompetenz (DNGK)
■ Fachbereich Barrierefreie Kommunikation: Von „hohe Mortalitätsrate“ zu „Sie können sterben“: ein Diskussionsforum zum Spannungsfeld zwischen verlässlichen Gesundheitsinformationen und Leichter Sprache
Gesundheitskompetenz in Österreich und der Schweiz
Den Auftakt in die Tagung bildeten zwei Keynote-Vorträge von Christina Dietscher (Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Sektion VI, Wien/Österreich) mit dem Titel „Gesundheitskompetenz in Organisationen und auf Systemebene fördern – Ansätze, Instrumente, Erfahrungen“ und von Saskia De Gani (Zentrum für Gesundheitskompetenz, Careum Zürich/Schweiz) mit dem Titel „Herausforderungen und Chancen der organisationalen Gesundheitskompetenz in der Schweiz: Vom gemeinsamen Konzeptverständnis zur Implementierung“. Christina Dietscher richtete in ihrem Vortrag den Blick über die Organisationsebene hinaus. Die Probleme lägen oft zwischen den Organisationen, so der Tenor des Vortrags. Es seien gesundheitsorientierte und -kompetente Systeme gefragt, die die Organisationen bei ihren Bemühungen um gute Rahmenbedingungen für ein gesundheitskompetentes Verhalten unterstützen. Gesundheitskompetenzförderung sei schließlich auch eine politische Verantwortung.
Saskia De Gani verwies in ihrem Vortrag zunächst auf die Bedeutung von Gesundheitskompetenz in Zeiten einer Polykrise. Gesundheitskompetenz helfe, um produktiv mit Herausforderungen wie etwa dem Klimawandel oder Pandemien umzugehen. Es mangele nicht an Konzepten und Tools, aber es fehle noch an deren Verankerung in der Praxis. Die Implementierung sei die große Herausforderung. Systematische Vermittlungsstrategien seien erforderlich, um die Entscheidungsträgerinnen und -träger in den Organisationen zu überzeugen. Auch in der Schweiz stehe man diesbezüglich noch ganz am Anfang.
Systeme und Organisationen stärker in die Pflicht nehmen
„Für Deutschland ist die organisationale Gesundheitskompetenz (leider) ein noch relativ neuer Ansatz“, erläuterte Eva Maria Bitzer, (1. Stellvertretende Vorsitzende des DNGK). Gesundheitskompetenz zu entwickeln und zu fördern, stellt eine gesamtgesellschaftliche und vor allem system- und organisationsbezogene Aufgabe dar. Es sei enorm wichtig, die Verantwortung bei den Organisationen und Systemen anzusiedeln mit dem Ziel, die Angebote, Strukturen und Prozesse so zu gestalten, dass sie Menschen zu mehr Gesundheitskompetenz verhelfen und gesundheitskompetentes Verhalten unterstützen, so DNGK-Vorstandsmitglied Katharina Rathmann, die zugleich Sprecherin und Leitungsgremiumsmitglied im Public Health Zentrum Fulda ist. Deshalb will der Fachbereich „Organisationale Gesundheitskompetenz“ im DNGK sein Netzwerk auch erweitern. Um die Entwicklung und Förderung der Gesundheitskompetenz in Organisationen und Systemen zu intensivieren, hat sich zusammen mit Mitgliedern aus der Schweiz und Österreich eine DACH-Initiative gebildet. Gemeinsam sollen praxistaugliche Angebote mit und für bspw. die Gesundheitsversorgung und Gesundheitsfachberufe entwickelt werden, die die Gesundheitskompetenz dieses Personenkreises selbst, aber auch die der Patientinnen und Patienten sowie weiterer Anwendungsfelder in der Gesundheitsversorgung und in Lebenswelten adressieren. Erziehungs- und Bildungssysteme sollten sich ebenfalls als gesundheitskompetenz-fördernde Lebenswelten und Organisationen verstehen. Es gilt, organisationale Gesundheitskompetenz in Kita und Schule sowie professionelle Gesundheitskompetenz von Erzieherinnen, Erziehern und Lehrkräften zu fördern.
Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz (NAP GK)
Während der Tagung hat Doris Schaeffer (Universität Bielefeld) den „Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz (NAP GK)“ an den Vorstand des DNGK, vertreten durch Eva Maria Bitzer (Pädagogische Hochschule Freiburg) und Katharina Rathmann (Hochschule Fulda) übergeben.
Ziel des Aktionsplans ist es, die Gesundheitskompetenz in Deutschland zu verbessern, das heißt, Menschen in die Lage zu versetzen, Gesundheitsinformationen und -dienstleistungen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden. Eine Gruppe ausgewiesener wissenschaftlicher und gesundheitspolitischer Expertinnen und Experten hat dazu unter der Leitung von Doris Schaeffer, Klaus Hurrelmann und Ullrich Bauer von der Universität Bielefeld und Hertie School 15 Empfehlungen zur Förderung von Gesundheitskompetenz in den alltäglichen Lebenswelten, im Gesundheitssystem, im Leben mit chronischen Erkrankungen und in der Forschung erarbeitet. „Seit seiner Einführung im Jahre 2018 hat der Plan bedeutsame Akteure aus Gesundheitswesen, Bildung, Kommune, Arbeitswelt und den Medien zusammengeführt und bemerkenswert zur Verbesserung der Gesundheitskompetenz in Deutschland beigetragen“, zeigten sich die bislang Verantwortlichen zufrieden.
Das DNGK sei die geeignete Instanz, um die weitere Koordination und Federführung für den NAP GK zu übernehmen. „Wir schaffen damit die Möglichkeit, ein noch breiteres Bündnis mit Akteuren aus verschiedensten Bereichen zu schmieden, um die Gesundheitskompetenz in Deutschland intensiv zu stärken“, betonte Doris Schaeffer bei der feierlichen Übergabe in Fulda. Sie sieht den Aktionsplan damit in guten Händen: „Das DNGK hat sich intensiv für die Stärkung der Gesundheitskompetenz engagiert und ebenso wie der Nationale Aktionsplan dazu beigetragen, dass das Thema Gesundheitskompetenz in vielen Settings und Bereichen inzwischen eine feste Größe geworden ist.“
Neben der Vernetzung von Mitgliedern und Beitragenden wurden auf der Tagung Studienergebnisse aus dem deutschsprachigen Raum, Erfahrungswerte bei der Förderung und Anwendung von gesundheitskompetenz-fördernden Maßnahmen präsentiert und diskutiert. Für den Zusammenschluss zwischen dem NAP GK und dem DNGK ist ein Gremium aus Expertinnen und Experten geplant, um Strategien für die erfolgreiche Fortführung der Schwerpunkte des NAP GK und Chancen für die Erweiterung und künftige Agenda des DNGK zu entwickeln. Im Juni 2025 wird bereits die dritte DNGK-Tagung stattfinden, voraussichtlich mit internationaler Beteiligung.
Weiterführende Informationen:
• Link zum Tagungsprogramm:
https://hbx.fhhrz.net/weiterführende Literatur/Gesundheitskompetenz.pdf
• Publikation zur Tagungsankündigung: Rathmann, K., Bitzer, EM., Dierks, ML. et al. Gesundheitskompetenz — mehr als Gesundheitswissen! QUALITAS 23, 30–33 (2024):
https://doi.org/10.1007/s43831-024-0171-1
• Weiterführende Literatur zum Thema „Organisationale Gesundheitskompetenz“:
https://hbx.fhhrz.net/weiterführende Literatur/Gesundheitskompetenz.pdf
• Link zur E-Bibliothek des DNGK:
https://dngk.de/e-bibliothek/
Autorinnen:
Prof. Dr. Katharina Rathmann, Hochschule Fulda, Fachbereich
Gesundheitswissenschaften, Public Health Zentrum Fulda/PHZF
Prof. Dr. Marie-Luise Dierks, Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung
Dr. Susanne Jordan, Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie
und Gesundheitsmonitoring
Prof. Dr. Eva Maria Bitzer, Pädagogische Hochschule Freiburg,
Public Health & Health Education
Corinna Schaefer, Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin, Berlin