Wenn bei mir eine größere neue Anschaffung ansteht, informiere ich mich oft über die verschiedenen Angebote einzelner Hersteller. So reift bei mir die Vorstellung, welche Eigenschaften die angebotenen Produkte voneinander unterscheiden und welche Produkte ich als qualitativ hochwertig oder minderwertig einstufen würde. Das sind wichtige Entscheidungskriterien für meine Kaufentscheidung …
… andere Menschen legen vielleicht etwas andere Maßstäbe an und kommen bei derselben Angebotspalette zu anderen Ergebnissen. Diese Willkür existiert bei der Definition von Qualitätskriterien von medizinischen Prozessen oder Entscheidungen sicher nicht in der Form.
Das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) in Deutschland veröffentlicht schon seit 2015 für den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) jährlich Qualitätsindikatoren u.a. für die stationäre Versorgung, und die Qualitätsdiskussion ist immer noch in vollem Gange.
Entscheidungen für Patienten
Bei einer Therapieentscheidung ist ex ante zwar klar, dass es eine beste Entscheidung zwar prinzipiell gibt, es lässt sich allerdings erst ex post feststellen, ob die getroffene Entscheidung zu dem erwünschten Ergebnis beim Patienten geführt hat. Um über eine definierte Patientengruppe in einer definierten Situation die Entscheidung zu ermitteln, die die größten Aussichten auf Erfolg hat, werden im großen Maße und mit hohen Kosten behaftete randomisierte Studien durchgeführt. Auf deren Grundlage ist es für viele Entscheidungen völlig klar, welche die im größten Maße erfolgversprechende und damit richtige ist. Natürlich kann der Mechanismus zur Messung des Erfolgs durchaus diskutiert werden. Der Gewinn gesunder Lebenszeit ist sicher der wichtigste Punkt, aber auch Kriterien wie das voraussichtliche Leiden der Patienten unter der Therapie selbst oder persönliche Präferenzen des Patienten sind sicher nicht vernachlässigbar.
Therapiefreiheit der Ärzte in gewissen Grenzen ist selbstverständlich sinnvoll. Aber die vollkommene Loslösung von Evidenz und Fachwissen kann bestimmt nicht im Sinne der Patienten sein. Wenn ein Hausarzt Antibiotika gegen eine virale Infektion verschreibt, dann folgt er vielleicht noch dem Prinzip primum non nocere, aber dem Patienten ist nicht damit geholfen. Wenn in besonders schwierigen Patientensituationen keine ausreichende Evidenz für eine bestimmte Entscheidung existiert, mag die Intuition basierend auf der langjährigen Erfahrung eines Arztes einen Anhaltspunkt dafür geben, welche Entscheidung vernünftig zu sein scheint. Doch im Allgemeinen ist Intuition nach meiner Einschätzung ein schlechter Ratgeber für ärztliche Entscheidungen.
Quintessenz des Wissens
Ärzte müssen im digitalisierten Zeitalter nicht alle Einzelheiten jeder beliebigen – vielleicht irgendwann vorkommenden – Patientensituation auswendig parat haben. Das konnten sie meiner Vermutung nach auch in analogen Zeiten schon nicht leisten. Aber wenn man die Anzahl der neuen medizinischen Publikationen heute mit der Publikationsgeschwindigkeit vor noch etwa fünf oder zehn Jahren vergleicht, stellt man fest, dass sich das Volumen um Größenordnungen erhöht hat. Nach meiner Überzeugung ist heute niemand mehr in der Lage, alle relevanten Publikationen zu lesen, zu verstehen, am klinischen Arbeitsplatz abrufbar zu haben und dann auch noch am konkreten Patienten umzusetzen. Es bedarf elektronischer Lösungen, um die Quintessenz des jeweils aktuellen Stands der fachlichen Erkenntnis den behandelnden Ärzten zur Verfügung zu stellen und auch auf dem jeweils neuesten Stand zu halten. Das ist eine Herausforderung, die sich Informationsdienstleister wie Elsevier zur Aufgabe gemacht haben.
Heute werden von verschiedenen Anbietern noch nicht validierte, nicht nachvollziehbare oder nicht ausreichend erklärte Inhalte zur Verfügung gestellt. Das führt zu Skepsis beim medizinischen Personal und damit auch zu einer eher menschlich soziologischen Problematik. Im Sinne des Patientenwohls sollten aktuelle wissenschaftliche Informationen zur Anwendung kommen. Wenn dieses Wissen direkt im Krankenhausinformationssystem (KIS) prozessiert wird – etwa durch Anordnungen oder Warnhinweise, dann wird neben der Wahrscheinlichkeit für inhaltliche Fehler auch die technische Fehlerquote, z.B. durch vergessene Anordnungen oder falsche Klicks im KIS, minimiert. Wir sind davon überzeugt, dass unsere Produkte durch ihre Prozessierung im KIS dabei helfen, dass hypothetisch identische Patienten weitgehend unabhängig von Zeit und diensthabendem Personal dieselbe optimale Behandlung erfahren würden.
Transparenz und Aktualität
Wichtige Voraussetzung ist das Vertrauen der Ärzte in die bereitgestellten Inhalte. Vertrauen schafft man durch Transparenz bei der Erstellung der Inhalte und Bereitstellung des Zugangs zu den primären Quellen der Evidenz. Elsevier macht das mit ausführlichen Zusammenfassungen, Links zu Studien oder mit Verweisen auf die Primär-Literatur. Transparenz schafft Vertrauen.
Grundlage für die Evidenz sind wissenschaftliche Experimente, klinische Studien oder auch Machine Learning Ansätze auf retrospektiven Daten. Die gewonnenen Daten werden statistisch ausgewertet und interpretiert, um sie dann zu veröffentlichen. Die Richtigkeit der veröffentlichten Inhalte wird durch Peer-Review-Verfahren gewährleistet. Die Summe neuer Erkenntnisse wird mit einer gewissen Verzögerung Bestandteil aktualisierter Leitlinien.
Der Zeitversatz zwischen Publikationszeitpunkt und Aktualisierung der entsprechenden Leitlinien birgt die Gefahr in sich, dass in der Zwischenzeit suboptimale, nicht dem neuesten Stand der Erkenntnis entsprechende Entscheidungen getroffen und Behandlungen durchgeführt werden. Bei Elsevier wird dieses Problem gelöst, indem man sich direkt auf wissenschaftliche Publikationen bezieht, anstatt sich auf Leitlinien zu beschränken.
Fokus auf die Stärken
Die Informationsdienstleister erschaffen keine neuen Erkenntnisse. Sie sichern lediglich Richtigkeit und Aktualität von Inhalten. Insofern könnten große Krankenhäuser mit der großen Fachkenntnis ihrer Mitarbeiter die Inhalte zur Objektivierung und Standardisierung ihrer ärztlichen Tätigkeiten auch selbst erstellen. Die Informationsdienstleister haben aber den Vorteil, dass sie auf etablierte redaktionelle Prozesse zurückgreifen können, dass sie die Erstellung kostensparend zentral für alle medizinischen Einrichtungen einer Region erstellen und natürlich, dass sie traditionell schon immer treuhänderisch unvoreingenommene gesicherte Informationen verbreitet haben.
Das Ziel aller Beteiligten des Gesundheitswesens sollte es sein, eine Umgebung zu schaffen, in der die Wahrscheinlichkeit für Fehler minimiert wird. Standardisierung von Behandlung aufgrund aktuellen medizinischen Wissens kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Die Umsetzung dieser Informationen sollte ins KIS integriert sein. Hilfen, Warnhinweise und Handlungsempfehlungen sollten genau dann angeboten werden, wenn dieser kleine Teil des umfassenden medizinischen Wissens für den Patienten gebraucht wird. So können Ärztinnen und Ärzte gute Entscheidungen treffen und sich auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren.
Autor:
Dr. Ulrich Schieborr
Senior Commercial Product Manager DACH/EE
Elsevier Clinical Solutions
www.elsevier.com/de-de/solutions/order-sets