Ein Erhebungsinstrument erfasst erstmals sicherheitsrelevante Unterschiede in Kliniken, Abteilungen und Berufsgruppen.
International ist das Thema der Patientensicherheit als wichtiger strategischer Bestandteil des Krankenhausmanagements akzeptiert. Es liegen viele Daten vor, die zeigen, dass die Herausforderungen auch hierzulande immer größer werden. In einer groß angelegten Studie von Bates et al. (2023), welche elf Krankenhäuser umfasst, wurde bei 2809 Aufnahmen mindestens ein unerwünschtes Ereignis in 23,6 % der Fälle festgestellt. Von den 978 unerwünschten Ereignissen wurden 222 (22,7 %) als vermeidbar eingestuft und 316 (32,3 %) hatten einen hohen Schweregrad, d. h. sie verursachten Schäden, die zu erheblichen Eingriffen oder einem längeren Aufenthalt im Krankenhaus führten. Ein vermeidbares unerwünschtes Ereignis mit sehr hohem Schweregrad trat in 29 Fällen (1,0 %) auf. Es gab sieben Todesfälle, von denen einer als vermeidbar eingestuft wurde. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen waren mit 39,0 % die häufigsten unerwünschten Ereignisse, gefolgt von chirurgischen oder anderen Prozeduren (30,4 %). Ereignisse im Zusammenhang mit der Patientenversorgung im Kontext der Pflege, einschließlich Stürze und Druckgeschwüre, betrafen 15,0 %, sowie Infektionen 11,9 %. Zusammengefasst wurden bei fast jeder vierten Aufnahme unerwünschte Ereignisse festgestellt, wobei etwa ein Viertel vermeidbar war. Aufgrund dieser Ergebnisse wurde in den USA, noch unter der Administration Biden, ein nationaler Aktionsplan zur Patientensicherheit mit klaren Zielen beschlossen.

Dem Zufall keine Chance. Den österreichischen Kliniken steht erstmals ein Instrument zur Verfügung, das Patientensicherheit systematisch messbar macht. Die Unterschiede zwischen Berufsgruppen, Abteilungen und Kliniken sind erheblich.
Arbeitsverdichtung, Personalmangel, Zeitdruck sowie die zunehmende Komplexität der Versorgung unterstreichen die Notwendigkeit, auch in Österreich rasch kontinuierliche Verbesserungen im Bereich der Patientensicherheit anzustreben inklusive der Einführung entsprechender Instrumente. Explizite Studien über das Ausmaß des Problems liegen für Österreich nicht vor, entsprechende statistische Hochrechnungen sind jedoch möglich. Bei rund 2,3 Mio. Krankenhausaufenthalten im Jahr kommt es bei ca. 5–10 % der Patienten zu unerwünschten Ereignissen. Dabei sind ca. 1 % durch Fahrlässigkeit verursacht, und bei 0,1 % der Patienten führen Fehler zum Tod. So ist einer von zehn behandelten Patienten von einem unerwünschten Ereignis betroffen, was im Vergleich zur oben genannten Studie aus den USA wenig beruhigen sollte. Nach den vorliegenden Erkenntnissen belaufen sich die direkten Kosten für Schäden, wie zusätzliche Tests, Behandlungen und Pflege, im primären und ambulanten Bereich auf etwa 2,5 % der gesamten Gesundheitsausgaben, wobei der tatsächliche Anteil wahrscheinlich unterschätzt wird. Schäden in der Primärversorgung führen häufig zu vermeidbaren Krankenhausaufenthalten. Ähnlich stellt sich die Situation in Wohnhäusern für ältere Mitmenschen oder anderen Betreuungseinrichtungen dar. Zu erwarten ist, dass der Gesetzgeber in Österreich bald entsprechende Schritte setzen wird.
Die Kultur in einem Krankenhaus gilt als Schlüssel für die Sicherheit der Patienten und des Personals sowie dafür, Verbesserungen in diesem Bereich zu erreichen. Patientensicherheitskultur umfasst die gemeinsamen Werte, Einstellungen, Normen und Verhaltensweisen in einer Organisation, die bestimmen, wie mit Fragen der Patientensicherheit umgegangen wird – insbesondere in Bezug auf Kommunikation, Offenheit im Umgang mit Fehlern, Verantwortungsübernahme und Führungsverhalten. Nicht zu übersehen ist, dass einerseits natürlich die Patienten von einem Fehler betroffen sind (first victim), andererseits aber auch die Personen des Gesundheitspersonals, denen der Fehler unterlaufen ist (second victim). In nahezu allen Fällen handelt es sich um Organisationsversagen, obwohl oft – auch im juristischen Kontext – die Person alleine zur Verantwortung gezogen wird (Blame Culture). Auch in Zusammenhang mit der Personalverknappung stellen Kulturfaktoren und ein offener Umgang mit (potenziellen) Fehlern einen bedeutenden Aspekt der Personalbindung dar. Darüber hinaus findet sich auch in den oft wenig genutzten Fehlermeldesystemen eine Vielzahl von Verbesserungspotenzialen. Damit besteht hier auch ein Hebel für Wirtschaftlichkeitsaspekte.
Neue Studien zeigen, dass bei einem hohen Grad der Patientensicherheitskultur einerseits Fehler in geringerem Maße auftreten und andererseits so auch die Qualität gesteigert sowie die Kosten gesenkt werden können. Als Problem hat sich bis jetzt die mangelnde Messbarkeit des Status quo und der Aktivitäten zum Thema Patientensicherheit dargestellt. Nun steht erstmals eine evidenzbasierte Lösung bereit.
Der PaSKI-AUT: Das valide Instrument für Österreich
Der Fragebogen „Patientensicherheitsklima-Inventar Austria“ (PaSKI-AUT) wurde für den systematischen Einsatz mit Daten aus zehn Krankenhäusern mit 1525 befragten Personen aus allen Berufsgruppen entwickelt, psychometrisch validiert sowie in einem qualitätsgesicherten internationalen Journal veröffentlicht. Das Instrument ermöglicht es, die Patientensicherheitskultur in Krankenhäusern anhand von zehn Dimensionen zu messen (Teamarbeit innerhalb der Klinik/Abteilung, nichtstrafender Umgang mit Fehlern, sicherheitsbezogene Haltung der direkten Vorgesetzten, Feedback und Kommunikation über Fehler, Offenheit der Kommunikation, Häufigkeit des Meldens von Ereignissen, Unterstützung der Abteilungsleitung hinsichtlich der Patientensicherheit, Übergaben und Verlegungen innerhalb der Klinik/Abteilung, Unterstützung der Krankenhausleitung hinsichtlich der Patientensicherheit sowie die Teamarbeit zwischen den Kliniken/Abteilungen). Jede einzelne Dimension wird mit dazugehörigen Fragen/Items untersucht, welche sich auf die wissenschaftlich relevanten Themen der Patientensicherheit beziehen, das jeweilige Thema bewerten und in die Auswertung münden. Die Validierung des Instruments sichert, dass die Ergebnisse der unterschiedlichen Häuser, Kliniken und Berufsgruppen miteinander vergleichbar sind und statistischen Gütekriterien standhalten.
Kernergebnis der Studien war, dass zwischen den Krankenhäusern und den Kliniken innerhalb einer Organisation signifikante Unterschiede aufgezeigt werden konnten. Zudem wurden u. a. deutliche Abweichungen zwischen den verschiedenen Berufsgruppen in den verschiedenen Dimensionen sichtbar, z. B. beim wahrgenommenen Führungsverhalten, der Kommunikation bei aufgetretenen Fehlern, bei Übergabeprozessen in Hochrisikobereichen und zwischen Kliniken sowie bei der stark unterschiedlichen Inanspruchnahme von Fehlermeldesystemen. Interessanterweise wurde der selbsteingeschätzte Grad der Patientensicherheit vom Personal in der Organisation und im eigenen Arbeitsbereich sehr unterschiedlich bewertet.
Die beschriebenen Ergebnisse erfordern eine individuelle Herangehensweise für jede Gesundheitsorganisation und nicht ein standardisiertes Vorgehen im Sinne eines „One size fits all“, das oft von Beratungsunternehmen bevorzugt wird, aber zum Scheitern der Aktivitäten oder zum „Verbrennen“ des Themas in der Organisation führen kann. Die Intervention muss also maßgeschneidert sowie evidenzbasiert erfolgen und das Personal aller Berufsgruppen aktiv miteinbeziehen, damit Veränderungen tatsächlich wirken und gemessen werden können.
Damit ist es erstmals möglich, jedem Krankenhaus in Österreich eine spezifische Erhebung der Patientensicherheitskultur zu ermöglichen. Der Fragebogen hat die Freigabe einer in Österreich akkreditierten Ethikkommission und kann somit direkt eingesetzt werden. Darüber hinaus können individuelle Fragen der Einrichtung im Fragebogen ergänzt und ebenfalls in die Auswertung einbezogen werden. Damit werden auch die bisher erfolgten Aktivitäten zum Thema messbar abgebildet. Dies schafft auch eine Legitimation der jeweiligen Abteilungen für Patientensicherheit und Qualitätsmanagement, die als Stabsstellen organisiert sind und denen es oft an Akzeptanz gegenüber der Leitung, dem Personal und anderen Stakeholdern fehlt.
Exemplarische Ergebnisse in einem Krankenhaus
Zur Auswertung der Ergebnisse werden deskriptive Statistiken, wie Korrelationsberechnungen der zehn Sicherheitsdimensionen mit den demografischen Variablen, und statistische Gruppenvergleiche (Vergleich der Häuser, Vergleich der Kliniken und Vergleich der Berufsgruppen) durchgeführt. Jedes Haus erhält sein individuelles Ergebnis sowie einen Vergleich mit der anonymisierten bestehenden Datenbasis, was eine breitere Bewertung in der Diskussion der Ergebnisse ermöglicht. So können die Ergebnisse und Sichtweisen der verschiedenen Berufsgruppen je Klinik dargestellt werden. Kliniken, in denen die Führungskräfte aktives Feedback fördern und Fehler als Lernchancen begreifen, weisen in mehreren Skalen durchgängig bessere Bewertungen auf. Weitere vertiefende Informationen können bis auf die Ebene der einzelnen Fragen gewonnen werden. Die Diskussion der Ergebnisse mit dem Personal führt dann zu einem konkreten strategischen Plan, wie die einzelnen Verbesserungsaspekte angegangen und umgesetzt werden sollen. Entscheidend ist dabei die klare Formulierung von Zielen mit entsprechenden Indikatoren, die dann auch den Weg zu einer offenen Diskussion über das Thema Patientensicherheit fördern.
Aufgabe des Managements ist es, deutlich zu machen, dass nun der konsequente Weg zu einem offenen Umgang mit dem Thema Patientensicherheit eingeschlagen wird. Durch die detaillierten Ergebnisse können gezielt evidenzbasierte Instrumente eingeführt und gemeinsam mit dem Personal eingesetzt werden. Nach einer gewissen Zeit können die erreichten Veränderungen oder mögliche Einschränkungen durch eine Wiederholung der Befragung messbar dargestellt werden. Begleitend können Veränderungen auch durch ein Monitoring der Kostenreduktion durch Fehlervermeidung erfasst werden. Da es sich häufig um Primärprozesse in der Versorgung handelt, können so auch andere Themen wie Effektivität und Effizienz mitbearbeitet werden. Die breit angelegte Organisationsentwicklung kann so themenzentriert und nach den oben dargelegten Interessen des Personals und natürlich der Patienten erfolgen. Insgesamt hat die Einführung des Fragebogens in der praktischen Anwendung gezeigt, dass Sicherheitskultur steuerbar und entwickelbar ist.
Was Führungskräfte jetzt tun können
Patientensicherheitskultur ist kein abstraktes Ideal. Sie ist ein zentraler, beeinflussbarer Faktor für die Qualität der Versorgung – und für das Vertrauen von Patienten wie Personal. Mit dem PaSKI-AUT steht den österreichischen Krankenhäusern nun erstmals ein valides und praxistaugliches Instrument zur Verfügung, das diese Kultur systematisch messbar macht. Die Ergebnisse der ersten Studien zeigen deutlich: Es gibt messbare Unterschiede zwischen Berufsgruppen, Abteilungen und Kliniken, die nicht dem Zufall überlassen werden dürfen. Für Krankenhausmanager ergeben sich daraus klare Handlungsfelder. Wer die Patientensicherheit wirksam stärken will, braucht mehr als Zertifikate, Prozesse und Technik, und zwar proaktives und kulturveränderndes Handeln. Es braucht eine Kultur, die Sicherheit und offene Kommunikation über Fehler ermöglicht, einfordert und vorlebt. Der erste Schritt dahin: Sie messbar machen!
In allen Gesundheitseinrichtungen einsetzbar
Die Universität Klagenfurt und das Karl Landsteiner Institut für Krankenhausorganisation in Wien bieten entsprechende Untersuchungen der Patientensicherheitskultur in Kliniken an.
Hierfür steht ein Instrumentarium zur Verfügung, das auch kulturelle und eher weiche Interventionsmöglichkeiten umfasst. Eine Messung ist auch in Pflege- und Betreuungseinrichtungen, Primärversorgungs- sowie Rehabilitationseinrichtungen mit einem eigenen Instrument möglich. Impulsvorträge und Schulungen zum Thema werden ebenfalls angeboten.

Alexandra Maria Kratki, BA, MA, MSc
ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für
Organisation, Personal und Dienstleistungsmanagement
an der Universität Klagenfurt.
Assoz.-Prof. Dipl.-Kfm. Dr. Guido Offermanns
ist Professor für Management in Gesundheitsorganisationen an der Universität Klagenfurt. Zudem ist er Leiter des Instituts für Krankenhausorganisation der Karl Landsteiner Gesellschaft.

Quellen und Links:
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• Bates, D., Levine, D., & Salmasian, H. (2023). The safety of inpatient care. The New England Journal of Medicine, 388(2), 1-14. https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMsa2206117
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• Draganović, Š., & Offermanns, G. (2022a). Patient safety culture in Austria and recommendations of evidence-based instruments for improving patient safety. Plos one, 17(10), 1-17. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0274805
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