Begleiter im Abschied

Lesedauer beträgt 2 Minuten
Autor: Monika Ploier

Im Entwurf zum Sterbehilfegesetz kommt Medizinerinnen und Medizinern eine wichtige Rolle zu. Sie sind Garanten, dass der Sterbewunsch nicht übereilt oder zum Schutz der Angehörigen getroffen wird.

Mit 1.1.2022 soll das Sterbehilfegesetz in Kraft treten. Erlangt der aktuelle Entwurf in der bei Redaktionsschluss (Mitte November) vorliegenden Form Gesetzeskraft, gilt das Sterbehilfegesetz für folgende Lebenslagen:

  • Personen, die entweder an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit oder
  • an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen leiden, deren Folgen die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen und
  • die Krankheit einen für die betroffene Person nicht anders abwendbaren Leidenszustand mit sich bringt, soll eine gewisse Hilfeleistung bei der Selbsttötung ermöglicht werden.

Die Voraussetzung dafür ist, dass diese Person volljährig und entscheidungsfähig ist und diese Verfügung höchstpersönlich errichtet. Darüber hinaus muss dieser Wille frei und selbstbestimmt gefasst werden. Der Entwurf sieht explizit vor, dass niemand – auch kein Arzt – dazu verpflichtet ist, eine entsprechende Hilfeleistung anzubieten oder konkret vorzunehmen bzw. daran mitzuwirken.

Um sicherzustellen, dass die Sterbeverfügung diesen Voraussetzungen entspricht, ist vorgesehen, dass der Errichtung eine ärztliche Aufklärung durch zwei Ärzte voranzugehen hat. Einer dieser Ärzte muss eine palliativmedizinische Qualifikation aufweisen. Beide Ärzte müssen unabhängig voneinander bestätigen, dass die sterbewillige Person entscheidungsfähig ist und einen freien und selbstbestimmten Entschluss geäußert hat. Im Rahmen der ärztlichen Aufklärung muss zwingend aufgeklärt werden über:

  • die im konkreten Fall möglichen Behandlungs- oder Handlungsalternativen (Hospizversorgung, Palliativmedizin)
  • die Möglichkeit der Errichtung einer Patientenverfügung/ Vorsorgevollmacht bzw. eines Vorsorgedialogs
  • Dosierung/Einnahme/Auswirkungen des Präparats sowie Dosierung der für die Verträglichkeit des Präparats notwendigen Begleitmedikation
  • konkrete Angebote für ein psychotherapeutisches Gespräch bzw. eine suizidpräventive Beratung oder zielführende Beratungsangebote

Der Inhalt der ärztlichen Aufklärung muss schriftlich dokumentiert und von beiden Ärzten und der errichtenden Person unterfertigt werden. Aus der ärztlichen Dokumentation muss sich auch die genaue Dosierungsanordnung ergeben sowie die Bestätigung ergeben, dass eine Krankheit vorliegt, die zur Errichtung einer Sterbeverfügung berechtigt.
Der Gesetzesentwurf sieht – in Anlehnung an das Bundesgesetz über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen (ÄsthOpG) – eine „Wartefrist“ vor: Demnach kann die Sterbeverfügung frühestens zwölf Wochen nach der ersten ärztlichen Aufklärung errichtet werden. Diese Frist verringert sich auf zwei Wochen, wenn bestätigt wird, dass der Patient in die terminale Phase eingetreten ist.

Der Entwurf sieht explizit vor, dass niemand – auch kein Arzt – dazu verpflichtet ist, eine entsprechende Hilfeleistung anzubieten.

Die Sterbeverfügung muss für ihre Wirksamkeit schriftlich vor einem Notar bzw. einem rechtskundigen Mitarbeiter der Patientenvertretungen errichtet und in das Sterbeverfügungsregister aufgenommen werden. Die Sterbeverfügung kann jederzeit widerrufen werden. Sie verliert ein Jahr nach ihrer Errichtung automatisch ihre Wirksamkeit, sofern keine neue Verfügung errichtet wird. Wenn die Sterbeverfügung nicht innerhalb von einem Jahr nach der zweiten ärztlichen Aufklärung errichtet wird, muss die sterbewillige Person eine neuerliche Bestätigung eines Arztes erbringen.
Jede öffentliche Apotheke darf nach Vorlage einer wirksam errichteten Sterbeverfügung sowohl an die sterbewillige als auch an eine in der Sterbeverfügung namentlich genannte Hilfe leistende Person das dafür zulässige Präparat (derzeit Natrium-Pentobarbital) abgeben.

Um sicherzustellen, dass keine Abhängigkeiten bestehen, ist vorgesehen, dass die konkrete Hilfe leistende Person nicht mit der aufklärenden bzw. dokumentierenden Person ident sein darf. Darüber hinaus besteht ein Werbeverbot für Hilfeleistungen. Über die Möglichkeit der Errichtung einer Sterbeverfügung darf selbstverständlich jedoch informiert werden.    //

Dr. Monika Ploier ist Anwältin bei HLMK Rechtsanwälte und auf Medizin- und Arbeitsrecht spezialisiert. Sie ist Verfasserin zahlreicher Publika­tionen und Lektorin für Medizin & Recht an mehreren akademischen Bildungseinrichtungen. Monika Ploier ist Obfrau des Forschungsinstituts für Recht in der Medizin FIRM.

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