Weitsicht ohne Mumm

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Autor: Josef Ruhaltinger

Einst war Österreich mit dem Aufbau von ELGA ein Vorreiterland in puncto eHealth. In fünf Jahren ist das System nicht einen Millimeter näher zum Patienten gekommen – weder in Akzeptanz noch im Nutzen. Für einen Modernisierungsschub fehlen das Geld und die Vision.

Die Rückenschmerzen verderben der 82-jährigen Pensionistin die Lust, am Morgen das Bett zu verlassen. Es sei etwas mit den Bandscheiben, meinten die vielen konsultierten Ärzten und Ärztinnen. Vor Jahren hatte ihr ein Primar eines großen Wiener Krankenhauses in seiner Wahlordination helfen können: Die gleichen Symptome waren nach einer Infiltration deutlich erträglicher. Mit Hilfe ihrer Tochter hatte sie wieder einen Termin bei ihrem Arzt der Hoffnung organisiert. Wartezeit drei Wochen. Als Mutter und Tochter endlich an der Rezeption standen, gab es die herbe Enttäuschung: Wo denn die letzten radiologischen Befunde von Röntgen und MRT wären? Zaghafte Entgegnung der Tochter: Davon habe niemand etwas im Vorfeld erwähnt. Und außerdem, da gäbe es doch dieses Befundaustauschsystem…. Dies waren die letzten Worte des Mutter-Tochter-Gespanns in der Ordination. Die Rezeptionistin war in ihren Worten eindeutig: Darauf habe man keinen Zugriff und ohne MRT könne der Herr Professor nichts machen. „Auf Wiedersehen.“

Gelobt und ignoriert

Der Begriff eHealth hat die Definitionsbreite eines Corona-Maßnahmenpakets. Jeder versteht darunter etwas anderes und ein Gutteil der Angesprochenen überlegt automatisch, wie er die Bestimmungen umgehen könne. Das Verständnis reicht je nach ExpertIn von speziellen Netzwerkverbindungen bis zum Meta-Begriff der digitalisierten Medizin. Dort wird alles hineingepackt, was im Gesundheitsbereich mit Bits und Bytes zu tun hat. Neben Befundaustausch werden gerne Videosprechstunden, digitale Gesundheitsanwendungen (Gesundheitsapps) und Anwendungen wie eMedikation (Auflistung aller verschriebenen Medikamente) und eRezept verstanden. Aber, wie Robert Mischak, Studiengangsleiter eHealth an der Grazer FH Joanneum festhält, „eine von allen anerkannte Definition des Begriffes gibt es nicht“.
Etwas einfacher ist die Begriffsbestimmung der Elektronischen Gesundheitsakte ELGA: Das in Österreich seit 2005 entwickelte Informationssystem wird europaweit als Paradebeispiel einer eHealth-Anwendung genannt. Dabei kommt es zu einem österreichischen Spezifikum: Sein Ruhm nimmt mit dem Abstand zu den österreichischen Grenzen kontinuierlich zu. Bernd Ohnesorge, beim Medizintechnik-Konzern Siemens Healthineers für Europa, den Mittleren Osten und Afrika zuständig, kennt die heimische Gesundheitsbranche aus dem Effeff. Er ist Aufsichtsratschef der Österreich-Konzerntochter: „Die Vernetzung von Gesundheitseinrichtungen ist ein elementares Asset. Österreich ist in dem Punkt weiter als andere Länder.“ In der Alpenrepublik wurde die schrittweise Umsetzung von ELGA bereits im Dezember 2015 in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen in Wien und der Steiermark in Angriff genommen. Deutschland hat die elektronische Patientenakte ePA mit 1.1.2021 eingeführt – mit allen denkbaren Startschwierigkeiten.

Überzeugungsarbeit.

Bernd Ohnesorge verantwortet bei Siemens Healthineers die Geschäfte in der halben Welt.

Er ist überzeugt, dass eHealth-Anwendungen wie ELGA zentrale Werkzeuge für heutige und künftige Gesundheitssysteme sind: „Wir müssen die Menschen vom Mehrwert überzeugen.“

Das Informationssystem ELGA verbindet behandelnde Ärztinnen und Ärzte, Spitäler, Pflegeeinrichtungen und Apotheken, um im Behandlungsfall die Gesundheitsdaten des Patienten oder der Patientin zur Verfügung zu haben. Dabei geht es in erster Linie um Entlassungsbriefe, Befunde aus allen Fachbereichen, auch der bildgebenden Diagnostik (Röntgen, MRT) sowie der Medikationsdaten. Das Problem dabei: Es finden sich außerhalb der öffentlich-rechtlichen Krankenanstalten und Pflegeeinrichtungen zu wenig Gesundheitsdiensteanbieter, sogenannte GDAs, die das Informationsnetz mit Daten füttern. Anders formuliert: Ärztinnen und Ärzte aus den niedergelassenen Fachbereichen stellen ihre Patientenbefunde selten bis gar nicht in das Austauschsystem ein.

Dazu wären Kassenärzte laut ELGA aber verpflichtet. Allerdings gibt es im niedergelassenen Bereich keine Sanktionen – anders als bei den öffentlich-rechtlich finanzierten Einrichtungen, in denen die Trägerinstitutionen von Bund und Land direkten Einfluss haben. Und ob ein Arzt den eBefund nutzt oder nicht, bleibt ganz allein ihm überlassen. Darum wurde die 82-jährige Pensionistin völlig rechtens wieder weggeschickt, zumal sie eine Wahlordination aufgesucht hatte. Es war aber alles andere als unvermeidlich.

Als Konsequenz der mangelnden Speicherfreudigkeit der Ärzteschaft ist das Befundaustauschsystem sechs Jahre nach seinem Start immer noch schwach auf der Brust: ELGA verfügt über eine zu geringe Schwungmasse, um von den Medizinern oder den Patienten als wertvoller Informationsdienstleister täglich wahrgenommen zu werden. Dass die Bedienungsfreundlichkeit der Portale im Bereich der Suchfunktionen und Trefferdarstellung von IT-Experten als „hanebüchen“ bezeichnet wird, befeuert die Beliebtheit der ELGA-Anwendungen unter Ärzten nicht.

Überzeugungsarbeit

ELGA, die Zweite: Eine betagte herzkranke Steirerin bittet ihren Sohn, den Notarzt zu rufen. Die Dame bleibt bei Bewusstsein, wird aber völlig teilnahmslos. Der Notarzt kommt und fragt den begleitenden Sohn, welche Medikamente die Mutter einnähme. Er wisse es nicht, antwortet er, aber dies müsse doch über die eMedikation zu erfahren sein. Die Antwort des Notarztes war eindeutig: Er habe keinen mobilen Zugang und die Kollegen im Spital würden auch nicht nachschauen.

Franz Leisch sind derartige Geschichten unüberhörbar unangenehm. Er ärgert sich. Leisch ist Geschäftsführer der ELGA Gmbh, der Betreibergesellschaft von Österreichs eHealth-Informationssystem. Das Konzept für einen mobilen Zugang zu ELGA liege seit Langem in den Schubladen. Aber er habe für die Umsetzung kein Geld. Gleich neben den Konzepten für den mobilen Ausbau befänden sich die Pläne, das Befundaustauschsystem auch bildübertragungsfähig zu machen. Denn die schiere Größe von Bilddateien, wie sie nach Röntgen- und Magnetresonanz-Untersuchungen angefertigt werden, sprenge bislang die Übertragungskapazitäten der ELGA-Infrastruktur. „Uns fehlt die Finanzierung für die ELGA-Modernisierung“, klagt Leisch und ist hörbar sauer: „Wir arbeiten nach Fünf-Jahresplänen wie in der Sow­jetunion“. Ursprünglich stellten Bund, Länder und Sozialversicherung für den Zeitraum 2017 bis 2020 ganze 41 Millionen Euro zur Finanzierung von ELGA zur Verfügung. Und daran habe sich nichts geändert. Die Pandemie hat durch Sonderprojekte wie den vorgezogenen Impfpass oder den Umbau der eMedikation die verordneten Planungszyklen verschoben, aber nicht ausgehebelt. Die Verhandlungen für den nächsten Fünf-Jahresplan sind gerade im Laufen. Bis dahin ist das Gesamtjahresbudget bei zehn Millionen Euro gedeckelt: „Da geht es uns wie dem Bundesheer. Die Fixkosten für Personal und Betrieb entsprechen dem Budget.“ Spielräume für Weiterentwicklungen gäbe es keine. Folgt man den ELGA-Wünschen, würde eine Erhöhung auf 16 Millionen Euro reichen, um einer umfassenden ELGA-Modernisierung und -Erweiterung einen Schub zu geben. Der generelle Bilddatentransfer wäre nicht länger eine Zukunftsvision – und damit Aussicht auf eine deutlich verbesserte Akzeptanz unter den Radiologen, wie es aus der Ärztekammer heißt. Aber die Pandemievorgabe „Koste es, was es wolle“ ist für ELGA abgesagt. Aus der ÖGK ist zu hören, dass ein Modernisierungsprojekt bei ELGA keine Priorität genieße.

Unterfinanziert und überbeansprucht.

Das Budget von ELGA-Chef Franz Leisch ist so hoch wie die Fixkosten seiner Betriebs-GmbH. Nur für Spontan-Projekte wie den Impfpass gibt es Extra-Geld. Sonst ist Ruhe im Schacht.

Unter weiten Kreisen der Ärzteschaft genießt das Befundaustauschsystem das Ansehen eines österreichischen Fußball-Teamchefs: medial gehypt, im Arbeitsalltag irrelevant. Patientinnen und Patienten kommen gar nicht in die Verlegenheit, die Vorzüge eines Austauschsystems für Gesundheitsdaten zu bemerken. Der Grazer Studiengangsleiter Robert Mischak ist überzeugt, dass „in den vergangenen Jahren zu wenig getan wurde, Patienten und Ärzten deutlich zu machen, welchen Nutzen ELGA für alle bringt“. Und er liefert in ziselierten Worten eine Begründung für die jahrelangen Startschwierigkeiten von ELGA: „Die Digitalisierung gilt als Gamechanger. Das bedeutet, die Spielregeln ändern sich, aber auch die Spieler. Das löst unter den bisherigen Akteuren eine gewisse Zurückhaltung aus.“

Lernkurven

Was tragfähige eHealth-Systeme in Krisenzeiten leisten können, führt Israel der Welt vor Augen – jeden Tag. Bernd Ohnesorge: „Israel ist das Beispiel, wo sich eine lebendige Gesellschaft durch die Durchdigitalisierung seines Gesundheitssystems auf wirksame Analyse- und Steuerungstools verlassen kann.“ Und dies habe weltweite Effekte: „Viele Staaten leiten Teile ihrer Impf-Strategie von den Erfahrungen der Israelis ab.“ Israel startete bereits 1995 erste Projekte zum Austausch digitaler Gesundheitsdaten. E-Rezepte, Telemedizin und Online-Zugänge zu elektronischen Gesundheitsakten sind seither etabliert. Im März 2018 setzte das Gesundheitsministerium ein Projekt namens „Psifas“ („Mosaik“) auf, das medizinische Angaben zu nahezu allen israelischen Bürger in eine umfangreiche digitale Patientendatenbank zusammenführt. Dabei wird nicht gekleckert: Das Fünfjahres-Budget beträgt 232 Mio. Euro.
Trotz aller Datenschutzbedenken – mit Hilfe der Informationen aus dem eigenen System konnte Israel die vierte Welle durch frühzeitige Booster-Piks brechen. Für Bernd Ohnesorge ist das nicht nur ein Erfolg der Technik, sondern des Vertrauens: „In Israel gelang es, den größten Teil der Bürgerinnen und Bürger vom ganz persönlichen Nutzen einer Impfung zu überzeugen. Da müssen wir hin.“    

„Die Maschine wird nie den Menschen ablösen“

Beschert die Pandemie dem Thema Health Care die Aufmerksamkeit, die es in der Vergangenheit nicht hatte?
Bernd Ohnesorge: Gesundheitssysteme sind deutlich ins Zentrum des Bewusstseins gerückt – sowohl in der öffentlichen Wahrnehmung als auch bei den Regierenden. Und es wird auch erkannt, welchen Beitrag wir als industrielle Gesundheitswirtschaft leisten. Die Pharma-Branche liefert in extremer Geschwindigkeit Therapien und Impfstoffe. Unsere Medizintechnik-Branche leistet mit PCR-Tests, Antigen-Schnelltests und auch mit bildgebender Diagnostik einen überall sichtbaren Beitrag. Ich bin zuversichtlich, dass wir an Stellenwert zugelegt haben. Das ist auch notwendig, denn Europa hat bei der Digitalisierung der Gesundheitssysteme einen deutlichen Nachholbedarf. Nicht alle Länder sind im Bereich eHealth schon so weit wie Österreich.

ELGA erregt Aufmerksamkeit?
Ist der Datenschutz Hemmnis oder natürlicher Begleiter der Digitalisierung?
Der Aspekt des Datenschutzes ist zentral. Patientinnen und Patienten müssen die Hoheit über ihre Gesundheitsdaten behalten. Die Europäische Datenschutzgrundverordnung hat die Frage in meinen Augen sehr gut geregelt. Wenn man mit den Informationen sensibel umgeht, steht ihrer Nutzung wenig im Wege.

Was verspricht uns die Digitalisierung im Gesundheitssystem?
Ich spreche in dem Zusammenhang immer von drei Ausprägungen. Ein Trend geht in Richtung Vernetzung: Die elektronische Gesundheitsakte ist beispielsweise nichts anderes als eine Datenzusammenführung, die rund um den Patienten von einzelnen Institutionen generiert wird. Ein zweites Element der Digitalisierung ist die Telemedizin: Medizin passiert nicht nur vor Ort, sondern auch über Distanzen. Dafür braucht es entsprechende technologische Grundlagen – eine belastbare digitale Infrastruktur. Und beim dritten Entwicklungsstrang geht es um die Frage, wie technologische Verfahren der Künstlichen Intelligenz oder des maschinellen Lernens medizinische Fragestellungen unterstützen können. Hier reden wir von High-Tech-Geräten und sehr klugen Befundsystemen.

Was kommt dabei raus?
Als Technologiekonzern setzen wir auf zwei Aspekte. Wir stellen Algorithmen bereit, um den behandelnden Arzt oder die Ärztin zu unterstützen, schneller die richtigen Entscheidungen zu treffen. So entlasten wir auch das medizinische Personal. Eigentlich sollte die Zeit zunehmen, in der es sich den Patienten zuwenden kann. Wir wissen alle, dass der aktuelle Trend in genau die andere Richtung geht. Das muss sich umkehren. Und genau dabei kann Technologie helfen.

Werden Maschinen die Arbeit der Menschen übernehmen?
Hier entsteht zu Unrecht die Befürchtung, die Maschine übernimmt den Beruf des Arztes. Das streben wir nicht an und das sehen wir auch nicht kommen. Apparate werden nicht die Rolle des Arztes übernehmen. Aber hochintelligente Verfahren werden die Mediziner und Medizinerinnen in ihren Entscheidungen begleiten und unterstützen. Sie helfen, die Entscheidungen präziser und auf Basis aller verfügbaren Daten zu treffen und gleichzeitig bei der Patientenversorgung besser zu werden. Und es geht um mehr Zeit des medizinischen Personals für den Patienten. Aber die Maschine wird nie den Menschen ablösen.

Von welchen Zeithorizonten reden wir?
Die Digitalisierung ist schon überall. Allein unser Portfolio ist in der Beziehung mit mehr als 60 KI-basierten Lösungen prall gefüllt.

Werden wir in zehn oder fünfzehn Jahren genauso zu unserem Hausarzt gehen, wie wir es heute machen?
Ich glaube, dass wir hybride Verfahren nutzen werden. Es wird immer Momente geben, wo die persönliche Interaktion zwischen Arzt und Patient stattfinden muss. Für eine Therapie ist der direkte Kontakt unersetzbar. Es gibt aber Abschnitte auf dem Patientenpfad, für die kein direkter Arzt-Patienten-Kontakt zwingend ist: Vorbesprechung oder Nachsorge werden virtueller werden. Die Pandemie hat uns lernen lassen, dass man vieles virtuell und trotzdem werthaltig umsetzen kann.

Sie sind auch für Afrika zuständig. Wie erhalten auch weniger begüterte Staaten Zugang zu moderner Medizintechnik?
Hightech heißt ja nicht unbedingt, dass alles teuer sein muss. Hightech heißt, es ist intelligent. Der Zugang zur digitalisierten Medizin ist in Afrika noch nicht weit verbreitet. Wir glauben, dass gerade im Kontext der Digitalisierung große Chancen bestehen. Neben Technologie und Geld ist die Verfügbarkeit von Personal ein mindestens ebenso limitierender Faktor. Mit digitalen Methoden müssen die behandelnden Ärzte und Radiologen nicht mehr länger direkt vor Ort sein. Digitale Werkzeuge machen Know-how auch dezentral verfügbar. Da sehe ich große Chancen für Staaten mit einem weniger dichten Gesundheitssystem.

Eine Frage, die ich Ihnen nicht ersparen will: Sie sind Aufsichtsrat der Konzern-Tochter in Österreich. Sie waren auch am Engagement der einstigen Stadträtin für Gesundheit und heutigen Siemens Healthineers-Managerin, Sonja Wehsely, maßgeblich beteiligt. Auf Grund dieser Optik wird Ihr Unternehmen immer wieder verdächtigt, eine zu große Nähe zu den Entscheidungsträgern in Wien zu pflegen. Zuletzt musste eine von Siemens Healthineers gewonnene Ausschreibung des Wiener Gesundheitsverbundes auf richterliche Anordnung wiederholt werden. Ist diese Personalpolitik ob der ständigen Beschuldigungen nicht kontraproduktiv?
Ich kann in dieser Frage zwar keinen Zusammenhang mit unserem Gespräch über die Wichtigkeit der Digitalisierung in den Gesundheitssystemen erkennen, werde aber dennoch gerne kurz auf die Fakten verweisen: Frau Wehsely hat als Strategieleiterin für die Region Europa, Mittlerer Osten und Afrika hervorragende Arbeit geleistet. Heute ist sie für die sogenannte Zone Zentral-/Osteuropa und damit für insgesamt 21 Länder verantwortlich. Für die österreichische Marktbearbeitung ist in ihrem Team Landesleiter Joachim Bogner zuständig. Für uns ist das von Wien aus betreute Osteuropa ein großer und wichtiger Markt. Darauf konzentriert sich Frau Wehsely. Sie erfüllt ihre Aufgaben hervorragend.

Telemedizin und Gesundheitsapps

Video-Ordinationen und Reha-Apps sind neben eBefunden die wichtigsten Werkzeuge unter den eHealth-Anwendungen. Nicht jeder Benutzer ist über den Technologieschub glücklich.

Corona hat in einigen Bereichen wie ein Katalysator auf eHealth-Prozesse gewirkt. In Deutschland hat sich die Zahl der Videosprechstunden 2020 in der ersten und zweiten Welle von weniger als 3.000 auf fast 2,7 Millionen erhöht – eine Steigerung um das 900-fache (eHealth Monitor 2021, McKinsey). In Österreich sind die telemedizinischen Sprechstunden laut Telemed Monitor Österreich der DonauUni Krems ebenfalls stark angestiegen. Die Umsetzung passierte jedoch sehr analog: Als häufigstes Kommunikationsmittel in Krisenzeiten wurde das Telefon (93 Prozent) und der Kontakt mit PatientInnen per E-Mail genannt (47 Prozent). Der Videocall wurde nur von 15 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte genutzt. Aktuell laufen mehrere Pilotprojekte zur Telemedizin:

Gemeinsam mit Ärzten und IT-Partnern hat die ÖGK das Projekt „visit-e“ aufgesetzt, bei dem Vertragspartnern ein Programm zur Online-Konsultation zur Verfügung gestellt wird. Auch die Honorarordnungen wurden mit einer Befristung bis Ende 2022 angepasst. Laut Gesundheitskasse kann die Verrechnung telemedizinischer und telefonischer Behandlungen und Beratungen so erfolgen, als ob die Leistungen in der Ordination erbracht worden wären. Gibt es eine weitere telemedizinische Leistung am selben Tag – weil etwa Besprochenes präzisiert werden soll – , so wird diese nicht extra verrechnet. Freilich: Wenn man die Ergebnisse des Telemed Monitors aus dem Sommer des Vorjahres interpretiert, wird der Fortschritt in der Telemedizin ein bedächtiger sein. Zwar befürworten fast 60 Prozent aller befragten ÄrztInnen die Methoden, etwas mehr als 40 Prozent stehen den Entwicklungen jedoch skeptisch gegenüber oder lehnen sie in ihrem Alltag ab. Die Gegenwart zeigt, was passiert, wenn 30 Prozent einer Zielgruppe Maßnahmen nicht so toll finden.

Bleibt noch der zunehmende Stellenwert von Gesundheitsapps als eHealth-Tool. In Deutschland wurde ein Prüfverfahren der Krankenkassen eingeführt, das Apps als medizintechnische Gesundheitsanwendungen zertifiziert. Derzeit sind 24 Applikationen anerkannt und werden von den Kassen bezahlt. Bis Mitte November haben sich weitere 105 Therapie- und Monitoring-Apps zum Prüfverfahren gemeldet, von denen laut McKinsey aber 55 Prozent abgelehnt wurden. Die ÖGK geht es hier gemächlicher an: In Österreich werden bis heute keine Kosten für Gesundheitsapps von den Kassen übernommen.

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