„Es fehlt das Personal“

Lesedauer beträgt 3 Minuten
Autor: Josef Ruhaltinger

Wie steht es um die wirtschaftliche Verfassung der heimischen Spitäler?
Oliver Rong:
Wir haben die 100 größten Kliniken Österreichs befragt, wie sie ihre eigene wirtschaftliche Verfassung bewerten. Die Klinikmanager und -managerinnen schätzen sie schlecht bis sehr schlecht ein. Das liegt daran, dass in den Spitzenzeiten der Pandemie das Leistungsgeschehen in den Häusern sehr eingeschränkt war. In den Spitälern waren nur die Intensivstationen voll. Die überwiegende Anzahl an Betten blieb leer.

Es gab zu wenig Patienten in Seuchenzeiten?
Wenn Sie so wollen: Ja. Die elektiven Patienten, also jene, bei denen kein akuter Versorgungsbedarf bestand, sind ausgeblieben. Es wurde in Pandemiezeiten einfach weniger zum Arzt gegangen und es kam in der Folge zu weniger Spitalseinweisungen.

Zur Person: Oliver Rong ist Senior Partner im Hamburger Büro von Roland Berger. Gemeinsam mit seinem Kollegen Filip Conic (Roland Berger Österreich) ist er Verfasser der Krankenanstalten-Studie 2021 in Österreich. Seine Expertise umfasst das gesamte Gesundheitswesen mit Schwerpunkt auf Anbieter (Akutversorgung, Rehabilitation, Altenpflege/Pflegeheime und ambulante Versorgung), Regulierungsbehörden und Gesundheitsdienstleister. Rong war von 2013-2016 Konzernbereichsleiter eines deutschen Krankenhausunternehmens.

Wie hat sich das Patientenverhalten im Laufe der Pandemie verändert?
Wir beobachteten, dass die Auslastung der Spitalsbetten in den verschiedenen Virus-Wellen sehr unterschiedlich war. Bei der ersten Welle stand bis auf den Intensivmedizinbereich fast alles still, in den weiteren Wellen hat sich das Leistungsgeschehen in den Krankenhäusern normalisiert. Aktuell sind die Spitäler allerdings aus einem anderen Grund nur beschränkt leistungsfähig. Es fehlt das Personal.

Was ist damit gemeint?
Die Krankenstände sind mit Omikron derart in die Höhe geschnellt, dass Stationen nur teilweise betrieben oder sogar geschlossen werden müssen. Sie brauchen nur die Zeitung lesen. Dieses eingeschränkte Leistungsangebot hat natürlich massive Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der Spitäler.

Nach welchen Überlegungen wird heute investiert?
Man hat durch Corona Prioritäten gesetzt. Die Bereiche Medizintechnik oder Dia­gnostik standen klar im Vordergrund.

Gibt es noch Zukunftsinvestitionen?
Wir haben die Verantwortlichen nach innovativen Zukunftskonzepten gefragt. Und wir haben festgestellt, dass Maßnahmen, die politisch und medial stark in den Vordergrund gestellt werden, in der Praxis gar nicht passieren. Bei den Themen der trägerübergreifenden Kooperationen oder der Verzahnung von Akutversorgung und Reha gab es durchaus ernüchternde Auskünfte. Die Spitäler haben durch die Pandemie allesamt einen Tunnelblick entwickelt und sich ausschließlich auf die Herausforderungen der Situation konzentriert.

Sie sprechen in Ihrer Studie von Ver­änderungen im Beschaffungsprozess der Krankenhäuser. Was ist damit gemeint?
Das Thema Regionalität hat in der Beschaffung extrem an Stellenwert gewonnen. Das hat vorher im globalen Beschaffungsmarkt kaum eine Rolle gespielt. Als dann die Lieferketten zusammengebrochen sind, erhielt das Thema eine völlig neue Relevanz.

Kaufen die Spitäler regionale Waren, auch wenn sie teurer sind?
Kriterien wie Service und Qualität sind weiterhin vorrangig. Regionalität schlägt in der Medizintechnik nicht Servicequalität. Und ich halte es durchaus für möglich, dass der starke wirtschaftliche Druck auf die Spitäler bei den derzeit stabileren Lieferketten die Vorsätze aus den Anfängen der Pandemie wieder relativiert.

Alles wieder zurück an den Anfang?
Wir beobachten schon neuartige Entwicklungen zur Lagerhaltung. In Deutschland agieren Krankenhausbetreiber zunehmend wie eine Einkaufsgemeinschaft und nehmen relevante Artikel auf Lager. Auf diese Weise werden Puffer aufgebaut, die im Fall des Falles für den Eigenbedarf genutzt werden können. Woran ich nicht glaube, ist der Aufbau einer subventionierten Industrie- oder Pharmaproduktion in Europa. Das wird nicht funktionieren.

Wie sehr hat die Pandemie den Digitali­sierungsfortschritt eingebremst?
Wir haben festgestellt, dass nahezu alle Krankenanstalten angeben, dass sie über eine Digitalisierungsstrategie verfügen. Sie verstehen dies allerdings in der Mehrheit nur im Sinne einer IT-basierten Digitalisierung, die im Backoffice zum Tragen kommt. Wir sehen noch zu wenige Überlegungen, wie der Arzt-Patienten-Kontakt mit digitalen Werkzeugen verbessert werden kann oder wie digitale Assistenzsysteme implementiert werden können. Da fehlt es noch ein Stück weit an Verständnis.    //

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