Heilung für Heimschläfer

Lesedauer beträgt 1 Minuten
Autor: Josef Ruhaltinger

In ganz Österreich werden ambulante Reha-Zentren eröffnet. Mit den nicht-stationären Rehabilitationsprogrammen sollen neue Patientengruppen fit für den Alltag werden.

Corona gab den Spielverderber – zum hunderttausendsten Mal. Die Eröffnung des ambulanten Rehazentrums in Eisenstadt am 3. März 2021 musste in die Zwangsjacke der Pandemie-Bekämpfung gepresst werden. Entsprechend übersichtlich blieben die Festivitäten. Der Anlass war aber gewichtig: Am Ende des Tages nahm eine topmoderne Gesundheitseinrichtung ihre Arbeit auf, die die medizinische Nachversorgung im Umkreis der burgenländischen Landeshauptstadt gravierend verbessern wird. Der Indikationsbereich des neuen Hauses ist extrem breit: Er reicht von Beschwerden des Bewegungs- und Stützapparates, des Stoffwechselsystems oder des Verdauungsapparates über Leiden des zentralen und peripheren Nervensystems, der Atmungsorgane und der onkologischen Nachbetreuung bis hin zu psychischen Belastungen oder Herz-Kreislauferkrankungen. In Eisenstadt stehen rund 50 Plätze für wohnortnahe Therapien zur Verfügung. Klaus Schuster, Geschäftsführer des Betreibers VAMED Management und Service GmbH, verweist auf den praktischen Vorteil der ambulanten Rehabilitation: „Während bei einer stationären Rehabilitation der Patient oder die Patientin für die Dauer von drei bis sechs Wochen das gewohnte Umfeld verlassen muss, kann er bzw. sie bei einer ambulanten Reha in der gewohnten Umgebung bleiben. Und wenn es der Gesundheitszustand zulässt, erfolgt die Reha sogar berufsbegleitend.“ Damit werden neue Patientengruppen erreicht, die bisher keine Rehabilitation erhalten haben. Einrichtungen der ambulanten Reha sind per definitionem der Zuweiser max. bis zu 30 Minuten vom Patientenwohnort entfernt – sonst werden er oder sie nicht zugewiesen.

Erhöhte Reichweite

Die ambulante Rehabilitation ist das Ergebnis veränderter Gegebenheiten: „Wir sind mit einer Generation konfrontiert, die sich nicht mehr ohne weiteres auf eine mehrwöchige stationäre Rehabilitation einlässt. Deshalb ist der nächste Schritt, dass in der Rehabilitation der ambulante Bereich mit vielen individuellen Angeboten ausgebaut wird“, schreibt der Chefarzt der Pensionsversicherungsanstalt PVA, Martin Skoumal, im „Weißbuch Version 2020“ der Praevenire-Initiative Gesundheit 2030. Die PVA ist beauftragt, das Vergabeverfahren für die Errichtung von ambulanten Rehabilitationszentren in Österreich umzusetzen. Im Rehabilitationsplan 2020 sind österreichweit 64 operative oder in Errichtung begriffene Reha-Ambulatorien ausgewiesen, von denen 47 über einen Vertrag mit einem der heimischen Sozialversicherungsträger verfügen. Die Heilprogramme sind differenziert. Aktuell entwickelt beispielsweise die PVA ein dreiwöchiges ambulantes Rehabilitationsprogramm für Personen, die im Krankenstand sind, und einen sechs- bis zehnwöchigen Reha-Ablauf, der berufsbegleitend in Anspruch genommen werden kann. Dabei wird „die Möglichkeit einer kombinierten, also zuerst stationär und dann ambulanten Rehabilitation angedacht“, wie PVA-Chefarzt Skoumal andeutet.

Bessere Reha-Chancen für Frauen

Die ambulante Reha verlangt von den Patienten eine höhere Motivation und einen hohen Koordinationsaufwand, hat aber den Vorteil, dass man Betreuungsverpflichtungen leichter nachkommen kann. So werde die ambulante Rehabilitation zu einem wichtigen Thema für Frauen, die durch die ungleich verteilten Lasten bei Kinderbetreuung, Pflege und Haushaltsführung deutlich weniger an stationären Rehaprogrammen teilnehmen als Männer. Wichtig: Die Leistungen können mittels Reha-Antrag an die Pensionsversicherung, die BVA, die SVS sowie die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) in Anspruch genommen werden. Zuzahlungen der Patienten sind keine notwendig. In Zukunft wird persönliche Präsenz nicht mehr zwingend sein, wie Vamed-Manager Klaus Schuster erklärt: „Prospektiv sollen auch digitale Rehabilitationsangebote den Patienten und Patientinnen zur Verfügung stehen.“

Rehaprogramme sind in drei Phasen gegliedert. Phase I entspricht der Frühmobilisation im Krankenhaus, die dem Patienten unmittelbar nach der Akutversorgung zukommt. Dabei handelt es sich um einen Leistungsbereich der Sozialversicherung, der unter dem Titel „Anstaltspflege“ erbracht wird, nicht aber um Rehabilitation im sozialversicherungsrechtlichen Sinn. In diesen Bereich wechseln die Kostenträger bei der Phase II: Der zweite Reha-Abschnitt kann stationär oder ambulant absolviert werden. Er findet aber spätestens innerhalb von zwölf Wochen im Anschluss an einen Spitalsaufenthalt oder nach einer rehabilitationsrelevanten Krankenbehandlung statt. Unbedingte Voraussetzung ist, dass „die Patienten ausreichend stabil für die Dauer und Intensität der Therapien sind“, betont Klaus Schuster.

Die Rehabilitation in der neu eingeführten Phase III des Rehabilitationsprozesses erfolgt ausschließlich in ambulanter Form – so will es der Rehabilitationsplan 2020 – und dient der Stabilisierung der in Phase II erreichten Effekte. Dabei ruht der Fokus auf individuellem Nahtstellenmanagement, um die Fähigkeit der Patientinnen und Patienten zur Teilhabe in allen Lebensbereichen nachhaltig zu verbessern. Für eine ambulante Rehabilitation eignen sich mobile Patienten, die – je nach Art der verordneten Rehabilitation – ihre Therapieeinheiten entweder in einem Zeitraum von sechs Wochen an drei bis vier Tagen pro Woche oder in drei bis zwölf Monaten an zwei Tagen pro Woche erhalten. Dabei werden in einer ambulanten Rehabilitation grundsätzlich die gleichen Fachrichtungen behandelt wie bei einer stationären Rehabilitation. Eine Ausnahme bildet die neurologische Rehabilitation im Anschluss an einen Akutaufenthalt. Diese ist nur stationär möglich, da diese Patienten in der Regel stärker physisch und kognitiv betroffen sind.

Neues Geschäftsfeld

Der Aufbau einer völlig neuen Infrastruktur für ambulante Nachsorge bietet für Dienstleister des Gesundheitsbereiches ein neues Marktsegment. Der Vamed-Konzern identifiziert die ambulante Rehabilitation in seinem Geschäftsbericht als Zukunftsmarkt, in dem er sein „Angebot in den nächsten Jahren deutlich erweitern“ werde, ebenso wie die Angebote der „Hybrid- oder Telerehabilitation“ wachsen sollen. Der private Rehabilitationsanbieter betreibt in Europa rund 90 Akut- und Post-Akut-Einrichtungen – davon zwölf stationäre und sechs ambulante Rehazentren in Österreich.

Auch der Mitbewerber Klinikum Austria (fünf stationäre Rehakliniken) denkt nach eigener Aussage über einen Einstieg in das Feld der ambulanten Rehabilitation nach. Dabei werden von den Dienstleistern nicht selten Joint Ventures mit Landes-Krankenanstaltenverbünden eingegangen. So hat das Reha Zentrum Salzburg im Jahr 2020 ambulante Einrichtungen an drei Standorten eröffnet. Die Betreibergesellschaft ist eine 50:50-Tochter von Humanocare und Salzburger Landeskliniken GmbH SALK. Ambulante Zentren werden das Netz an Rehabilitationszentren in Österreich verdichten. Die Expansion der ambulanten Rehabilitation ist allerdings nicht allein eine Frage der Konzepte und Finanzen, wie PVA-Chefarzt Martin Skoumal beklagt: „Der Mangel an Fachkräften wie Fachärztinnen, Fachärzte, Pfleger und Pflegerinnen ist in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen massiv bemerkbar. Hier ist die Politik gefragt.“    //

Links:
Praevenire Initiative Gesundheit 2030
Rehabilitationsplan 2020

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren: