Milliardenschwere Sanierungsoffensive

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Autor: Josef Ruhaltinger

Der Wiener Gesundheitsverbund plant, sämtliche Gemeindespitäler durch Milliardeninvestitionen bis 2040 zu modernisieren. Eine WIGEV-eigene Projektgesellschaft soll die Wiener Performance im Krankenhausbau verbessern.

Eigentlich hatte der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker am 2. Juni für eine Eröffnungsrede des Gesundheitswirtschaftskongresses zugesagt – bis sein Büro signalisierte: Es geht sich nicht aus. Ein anderer Termin sei dazwischengekommen. Denn am 2. Juni präsentierte die Wiener Stadtregierung in einer groß aufgezogenen Pressekonferenz ein Investitionsprogramm, mit dem sämtliche Wiener Gemeindespitäler „bis zum Jahr 2040 komplett modernisiert“ werden sollen, wie es in der dazugehörigen Presseaussendung heißt. Peter Hacker eröffnete dort.

Sanierungsbedürftig: Viele der teilweise 100 Jahre alten Krankenhäuser Wiens werden völlig neu konzipiert. Pavillons haben in modernen Spitalskonzepten ausgedient.

Für das Modernisierungspaket ist bis 2030 in einer ersten Phase ein Budget in Höhe von 3,3 Milliarden Euro aus dem Wiener Stadthaushalt vorgesehen. Dazu kommen noch Mittel aus dem Wiener Gesundheitsfonds. Herwig Wetzlinger, technischer Geschäftsführer des Wiener Gesundheitsverbundes, beziffert die Gesamtkosten bis 2040 mit 5,6 Mrd. Euro. Voraussetzung: „Wir bauen morgen – und übermorgen rechnen wir ab“, konkretisiert der stellvertretende WIGEV-Chef in einem Podcast: Budgetüberschreitungen zu den ursprünglichen Kostenprognosen seien dabei Kinder der Zeit. Er könne die inflationäre Entwicklung nur einschätzen. Aktuell kalkuliere der Gesundheitsverbund bei Bauprojekten „mit einer Kostensteigerung von 3,5 Prozent pro Jahr“.

In die Jahre gekommen

Der Wiener Regionale Strukturplan Gesundheit sieht sechs Kliniken in drei Versorgungsregionen vor: Region Nord-Ost (Klinik Floridsdorf, Klinik Donaustadt), Region Süd (Klinik Landstraße, Klinik Favoriten) sowie Region West (Klinik Ottakring, Klinik Hietzing). Das Universitätsklinikum AKH Wien nimmt als siebtes Haus in dem Versorgungsplan eine Sonderrolle für Spitzenmedizin ein. Die medizinische Vollversorgung (beispielsweise zentrale Notaufnahme, Erstversorgungsambulanz, Innere Medizin, Allgemeinchirurgie oder Akutgeriatrie) wird künftig in jeder der WIGEV-Kliniken gewährleistet. Dazu spezialisiert sich jedes der Krankenhäuser auf überregionale Schwerpunktaufgaben. Die Klinik Penzing – formerly known als Otto Wagner-Spital auf der Baumgartner Höhe – wird sukzessive bis 2032 zugunsten der Kliniken Ottakring und Hietzing aufgelassen. Klinik Landstraße wird ab 2030 völlig neu gebaut. Die restlichen Standorte werden modernisiert.

Ein WIGEV-eigenes Ingenieursbüro soll bei allen Spitalbauten und -sanierungen die Projektleitung übernehmen. „Wir haben aus dem Bau der Klinik Floridsdorf einiges für die Zukunft gelernt“, meint Herwig Wetzlinger. Sanierung, Aus- und Neubau der Wiener Kliniken sowie die technische Ausstattung sollen bis 2040 abgeschlossen sein, die baulichen Maßnahmen werden laut Plan bis 2038 finalisiert.

Universitätsklinikum AKH Wien

Das AKH verfügt als Universitätsklinikum über eine spezielle Betreiberkonstruktion. Gemeinsam geführt mit der Medizinischen Universität Wien fungieren Bund und Stadt als Träger. Das Modernisierungskonzept stammt aus 2016. Die projektierten Investitionskosten von 1,4 Mrd. Euro werden zu 60 Prozent von der Stadt Wien und zu 40 Prozent vom Bund finanziert. Bis 2030 wird der gemeinsame Standort von AKH Wien und MedUni Wien in 16 Baubereichen modernisiert. So werden beispielsweise die OP-Räume und das Bettenhaus Ost („Roter Bettenturm“) umfangreich modernisiert und ein neues Eltern-Kind-Zentrum geschaffen. Als Bauherr für die Bauprojekte agiert der Technische Direktor des AKH, Siegfried Girlinger.

16 Projektvorhaben:
– Kinder- und Jugendpsychiatrie (fertiggestellt 2020)
– Küche (2020)
– Herz-Thorax-Zentrum ( 2020)
– Feuerwache (2020)
– Ambulanzen (bis 2024)
– Anstaltsapotheke (2022)
– Eltern-Kind-Zentrum (bis 2026)
– Forschungsflächen MedUni Wien (bis 2025)
– Dienstzimmer (bis 2025)
– Physikalische Medizin und Tageschirurgie (bis 2025)
– Intermediate Care-Stationen (bis 2026)
– Erweiterung OP-Säle (bis 2028)
– Station für Brandverletzte (bis 2025)
– Notfall- und Unfallbereich (bis 2028)
– („Roter“) Bettenturm Ost (bis 2030)
– Patientengarten (bis 2030)

Investitionsvolumen: 1,4 Mrd. Euro bis 2030
Umsetzungszeitraum: bis 2030

Klinik Ottakring

Das einstige Wilhelminenspital wurde bereits 1891 eröffnet. Im Zuge des Neubaus wird die Pavillonstruktur aufgelassen. Anstelle von 70 Pavillons werden künftig drei bis vier moderne Zentralbauten sowie ein Park die Klinik prägen. Ein Architekturwettbewerb startet noch im Jahr 2022. Bereits in Bau befindet sich ein Interimsgebäude für die 3. Psychiatrische Abteilung, die Ende 2023 aus der Klinik Penzing in die Klinik Ottakring übersiedelt. Das Gebäude wird in L-Form in leichter Hanglage gebaut. Erwähnenswert: Das Gebäude wird in Holzbauweise errichtet.

Umbauarbeiten:
– 3. Psychiatrische Abteilung (bis 2023)
– Neubau Plastische Chirurgie
– Neubau Onkologie
– Neubau Urologie
– Neubau Verwaltung, Lager, Logistik, Apotheke

Fertigstellungstermin: 2038
Versorgungsregion: West
Partnerspital: Klinik Hietzing
Schwerpunkt: Plastische Chirurgie

Klinik Hietzing

Erbaut von 1908 – 2013, zählt das einstige KH Lainz zu den größten Spitälern Wiens. Seit Jänner 2022 finden Bauarbeiten in mehreren Pavillons statt. Anlass sind die bevorstehenden Leistungsverlagerungen aus der Klinik Penzing. Einige der neu hinzugekommenen Abteilungen werden später wieder übersiedeln. Die Abteilungen für Innere Medizin und Neurologie verbleiben als Teil der Vollversorgung in der Klinik Hietzing.

Umbauarbeiten:
– Neubau Zentrale Notaufnahme
– Neubau Gefäßchirurgie
– Neubau Radioonkologie
– Neubau Psychiatrie
– Neubau Akutgeriatrie und Remobilisierung
– Neubau Innere Medizin
– Neubau Kinder- und Jugendpsychiatrie
– Neubau Ver-, Entsorgung, Logistik
– Neubau Direktion

Fertigstellungstermin: 2031
Versorgungsregion: West
Partnerspital: Klinik Ottakring

Klinik Landstraße

Das 1864 erstmals eröffnete Spital trug als Rudolfstiftung den Namen des Kronprinzen. Ende der 60er-Jahre entschloss man sich zu einem Neubau. 1977 wurde der 17-geschoßige Hochbau eröffnet. Heute ist die Klinik Landstraße ein 800 Betten-Spital, das im Laufe der Jahrzehnte durch Zusammenlegungen immer größer wurde: Im Dezember 1998 schloss das Mautner Markhof’sche Kinderspital. Die Aufgaben wanderten in die Rudolfstiftung. Im September 2002 wurde der Rudolfstiftung die Semmelweis-Frauenklinik eingegliedert, die seither als Department der Geburtshilflichen und Gynäkologischen Abteilung geführt wird.
Die heutige Infrastruktur der Klinik Landstraße wird ab 2030 einem kompletten Neubau weichen.

Planungsvorhaben:
– Laufende Sanierungen bis 2030
– Kompletter Neubau (2030 bis 2035)

Fertigstellungstermin: 2035
Versorgungsregion: Süd
Partnerspital: Klinik Favoriten
Schwerpunkt: Dermatologie, Augenheilkunde

Klinik Donaustadt

Das lange Zeit als Donauspital oder SMZ Ost bekannte Krankenhaus wurde 1992 eröffnet und im Endausbau 1996 fertiggestellt. Die Klinik Donaustadt umfasst über 900 Betten und versorgt in enger Abstimmung mit der Klinik Floridsdorf die bevölkerungsreichen Bezirke jenseits der Donau. In den Planungsarbeiten sind Erweiterungen im Bettenbereich und bei den OP-Räumlichkeiten vorgesehen. Zudem ist eine bauliche Neuorganisation der Küche gepant. Nach dem Allgemeinen Krankenhaus ist die Klinik Donaustadt das zweitgrößte Krankenhaus in Wien.

Umbauarbeiten:
– Neubau Bettenhäuser
– Neubau OP-Zentrum
– Umbau und Umsiedlung Zentrale Notaufnahme
– Umbau und Umsiedlung Küche

Fertigstellungstermin: 2037
Versorgungsregion: Nord-Ost
Partnerspital: Klinik Floridsdorf
Schwerpunkt: Kinder- und Jugendchirurgie, Neurochirurgie, Ortho-Trauma-Zentrum

Klinik Favoriten

Das „k.k. Krankenhaus Favoriten“ wurde 1888 eröffnet. Das frühere Sozialmedizinische Zentrum Süd, noch besser bekannt als Kaiser Franz Josef-Spital („KFJ“) war in den 1980er-Jahren das erste Schwerpunkt-Krankenhaus der Stadt Wien mit einer Psychiatrischen Abteilung.

Umbauarbeiten:
– Neubau Zentrale Notaufnahme
– Neubau Kardiologie
– Neubau Pulmologie
– Neubau Innere Medizin
– Neubau Neurologie
– Neubau Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie
– Umbau ARIO-Gebäude zu Onkologischem Zentrum
– Neubau Forensik
– Neubau Ver- und Entsorgung

Fertigstellungstermin: 2033
Versorgungsregion: Süd
Partnerspital: Klinik Landstraße
Schwerpunkt: Infektiologie, Forensik

Klinik Floridsdorf

Die Klinik Floridsdorf wurde im Juni 2019 eröffnet und gilt als eines der modernsten Spitäler Europas. Das frühere Krankenhaus Nord ist die Messlatte für das WIGEV-Bau- und Projektmanagement, das die Realisierung des Investitionspaketes durchführen wird. Erfahrungen während der Planungs- und Bauphase sollen wegweisend für Durchführung der großen Modernisierungsoffensive der WIGEV werden.
In die Schlagzeilen schaffte es neben dem Energiering, der am Ende des Tages tatsächlich 90.000 Euro kostete, auch der Bauzaun, der ursprünglich 826.000 Euro kosten sollte. Bezahlt wurden laut Endabrechnung vom Februar 38.000 Euro. Künftig soll eine Projektentwicklungs- und Baumanagement GmbH die professionelle Umsetzung sicherstellen.

Keine Sanierungspläne

Fertigstellungstermin: 2019
Versorgungsregion: Ost
Partnerspital: Klinik Donaustadt
Schwerpunkt: Thoraxchirurgie

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