ÖGWK-Präsident Heinz Brock: „Ich habe Zuversicht gespürt“

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Autor: Josef Ruhaltinger

Der 13. Österreichische Gesundheitswirtschaftskongress war der zweite unter der Ägide von Kongresspräsident Heinz Brock. Der emeritierte Ärztliche Geschäftsführer des KUK Linz zieht Bilanz – und plant für das nächste Jahr.

Wie erlebt ein Kongresspräsident eine Veranstaltung, für die er ein Jahr geplant hat?
Angespannt. Ich denke, wir können sehr zufrieden sein. Natürlich ist die zweite Ausgabe immer etwas herausfordernder als die erste. Schließlich wollen wir ja immer besser werden. Der Kongress dieses Jahr war thematisch schwieriger, weil unsere Premiere im Vorjahr noch stark von der Pandemie geprägt war. Da lagen die Fragen mehr oder weniger am Tisch. Heuer war es eine Herausforderung, den Vorsatz der ungeschminkten Zustandsanalyse, wie wir ihn im Titel „Unterwegs in ungewissen Zeiten“ formuliert haben, in griffige Themen, Panels und Vorträge zu packen. Beteiligung und Feedback zeigen uns, dass dies doch gelungen zu sein scheint.

Der gebürtige Vorarlberger Heinz Brock absolvierte sein Medizin­studium an der Universität Innsbruck. Im Jahre 2002 wurde der Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin zum Medizinischen Direktor des AKH Linz bestellt. Im Kepler Universitätsklinikum Linz übernahm er von 2015 bis 2020 die Position des Ärztlichen Direktors und Geschäftsführers. Seit 2021 ist er Präsident des Österreichischen Gesundheitswirtschaftskongresses. Die ehemalige Chefärztin des Fonds Soziales Wien und SeniorInnenbeauftragte der Stadt Wien, Susanne Herbek, komplettiert das Präsidium.

Mit Minister Johannes Rauch und Stadtrat Peter Hacker sprachen bei der Eröffnung zwei Politiker, die sich – entgegen den Erwartungen – wenig Zurückhaltung auferlegt hatten. Wie war Ihr Eindruck?
Die beiden bildeten ein Kontrastprogramm. Der Minister hat – so empfand ich es – sehr umfassend und sehr klar die Richtung beschrieben, in die sich das Gesundheitssystem verändern müsse. Er stellte klar, dass viel zu tun sei und dass er dies nicht alleine bewerkstelligen könne. Und der Stadtrat war sehr analytisch bei den Gründen unserer Probleme, dass beispielsweise die Pensionierungswelle der Boomer-Generation seit Jahrzehnten thematisiert wird und es ebenso lange keine Gegenstrategien gab. Er hat dies in seiner gewohnt pointierten Art fesselnd vorgetragen. Das war für die Einstimmung und Aufmerksamkeit des Publikums sehr wertvoll. Die Politik sorgte für einen gelungenen Auftakt.

Rauch und Hacker ließen meiner Meinung nach in Nebensätzen erkennen, dass sie in vielen Dingen zur gleichen Analyse kommen. Höre ich da zu viel heraus?
Mein Eindruck war, dass es ein gutes persönliches Verhältnis gibt. Das haben wir schon letztes Jahr gemerkt, als der Stadtrat irgendwie den Termin verschwitzt hat und der Minister ihn angerufen hat, was er den Besseres zu tun hätte – dem Vernehmen nach in durchaus freundschaftlicher Art und Weise. Aber es war in den Vorträgen schon auch zu hören, dass es inhaltliche Differenzen gibt, die sich durch die unterschiedlichen Interessenlagen erklären. Und das war meines Erachtens die Quintessenz aus den beiden Politikerreden, dass jedem bewusst ist, dass es so nicht weitergehen kann. Es ist aber offensichtlich so, dass niemand so richtig erkennt, dass dieses „nicht so weitergehen“ auch ihn selber betrifft, …

Die Keynote hielt der ehemalige WIFO-Chef und Präsident des Fiskalrates, Christoph Badelt. Er sprach über wirtschaftliche und demografische Entwicklungen und wie diese unser Gesundheitssystem unter Zugzwang setzen. Tendenz: Immer mehr alte Menschen benötigen immer mehr Gesundheitsleistungen, die immer weniger Menschen bezahlen. Wie erging es Ihnen bei den Worten?
Ich empfand den Vortrag von Professor Badelt als ganz exzellent. Da war sehr viel Inhalt, über den man nachdenken muss. Er hat gezeigt, was eigentlich auch schon Stadtrat Hacker gemeint hat: Sehr viele der Probleme, mit denen wir heute kämpfen, bahnen sich seit Jahrzehnten an. Und es ist schwer, gegenzusteuern. Tatsächlich sollte eine Pensionierungswelle niemanden überraschen ebenso wie die Tatsache, dass die Gesellschaft immer älter wird – mit all den dazugehörigen Konsequenzen. Und der Vortrag hat wieder einmal sichtbar gemacht, wie wenig steuerbar unser Gesundheitssystem ist. Wir haben in dem Bereich zu viele Akteure.

Wir befinden uns mitten im Versuch einer Gesundheitsreform. Glauben Sie, dass ein Kongress als Forum etwas zu einer Lösung beitragen kann?
Ich habe mir während des Kongresses diese Frage gestellt. Man darf die Früchte nicht zu hoch hängen. Ein großer Erkenntnisgewinn ist für die Gesundheitsprofis nicht zu erwarten. Aber der Kongress schafft Bewusstsein und Trends. Und er ist eine wunderbare Gelegenheit, weit ab von Verhandlungssituationen offen die Gedanken spielen zu lassen. Und das macht etwas mit den Menschen. Insofern muss man nicht enttäuscht sein, wenn nach unserem Zusammentreffen nicht sämtliche Probleme gelöst sind. Unser Gesundheitswirtschaftskongress ist ein angenehmer Ort der Begegnung und des Austausches von Ideen und Standpunkten. Dafür ist er gedacht und mehr darf man nicht erwarten.

Wie haben Sie die Stimmung der Teilnehmer und Teilnehmerinnen erlebt?
Stimmung und Atmosphäre empfand ich durch die Bank gut. Ich habe keinen getroffen, der trotz der vielen Krisen irgendwie verärgert, frustriert oder gelangweilt war. Ich verspürte keine Depressionen. Es waren alle sehr bei der Sache und haben untereinander heftig diskutiert. Die Teilnehmer blieben bis zum letzten Vortrag, nur ganz, ganz wenige haben den Kongress vorzeitig verlassen. Das erachte ich als Auszeichnung.

Alles eitel Wonne unter den Teilnehmern?
Natürlich nicht. Es war viel Skepsis zu spüren, ob bei den Finanzausgleichsgesprächen etwas Grundsätzliches passiert. Aber wir sollten uns schon klar machen: Wir jammern immer noch auf einem sehr hohen Niveau. Das darf nicht heißen, dass wir ewig weiter wurschteln können. Aber wir stehen nicht vor dem unmittelbaren Zusammenbruch unserer Gesellschaft und unseres Gesundheitssystems, auch wenn uns dies manche glauben lassen. Es ist klar: Wenn wir unser Niveau der Gesundheitsversorgung halten wollen, muss etwas geschehen. Diese Haltung war stark zu spüren. Ich habe auch Zuversicht gespürt, dass das mit Geduld und Durchsetzungskraft gelingen kann.

Herr Brock, Sie hatten nach der Kongress­eröffnung eine Einladung zu einem Studiointerview in der Mittags-ZiB am Küniglberg. Wie war das?
Es war sehr interessant. Es hat etwas gedauert, bis ich in den Vorgesprächen vermitteln konnte, was Anliegen und Zielgruppe eines Gesundheitswirtschaftskongresses sind und dass ich kein Vertreter der Ärztekammer bin. Aber ich war froh, das Thema Ärzte- und Pflegekräftemangel zu thematisieren und auf ein paar andere grundsätzliche Fragen des Gesundheitssystems einzugehen, die wir hier schon besprochen haben. Interessanterweise haben mich sehr viele Leute auf den Auftritt angesprochen. Das hätte ich bei einer Mittagssendung nicht erwartet.

Gibt es Punkte, in denen Sie den Kongress im kommenden Jahr besser machen wollen?
Wir haben ja heuer schon angefangen, das Publikum mehr einzubeziehen. Ich glaube, wir sollten den Weg weitergehen. Ich denke nicht, dass es eine Alternative zum klassischen frontalen Format des Vortrags und der Diskussionsveranstaltung gibt. Das ist von den Teilnehmern gelernt und akzeptiert. Wenn man das zu sehr aufbricht, führt dies zu Abwehrverhalten. Wir bleiben beim gewohnten Setting, erweitern aber die Möglichkeiten, sich zu beteiligen.

Was können Themen für den kommenden Kongress sein?
Wir werden sicher die Ergebnisse der Finanzausgleichsverhandlungen aufs Tapet bringen. Jetzt ruhen darin große Hoffnungen. Und in einem Jahr werden wir sehen, wie viele davon erfüllt wurden. Es gibt das große Feld des Smart Hospital und der Digitalisierung. Und wir haben die Diskussion um Gesundheitsdaten, deren Vernetzung und Verarbeitung über die Entwicklung des Gesundheitssystems bestimmen werden – in der einen oder anderen Weise. Wir stehen vor der Einführung des europäischen Gesundheitsdatenraumes, der in der Gesetzgebung vieles beschleunigen und in die Wege leiten kann. Auch hier wird noch in Brüssel diskutiert – im Wissen, dass mit den Europawahlen Anfang Juni alles ganz anders werden kann. Die Themen gehen uns nicht aus. 

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Der 14. Österreichische Gesundheitswirtschafts­kongress findet am 13. und 14. Juni 2024 im Austria Trend Hotel Savoyen, Rennweg 16, A-1030 Wien, statt.