RSV-Therapie: „Für viele Eltern kommen die Ausgaben einem Monatsverdienst gleich“

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Autor: Josef Ruhaltinger

Dr. Gülsen Sever Yildiz, Ärztin an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Graz und eine der Autorinnen der Southern Austria RSV Inpatient Investigation Study­, kurz ARNI­-Studie, im Kurzinterview.

Frau Sever Yildiz, das Respiratorische Synzytial-Virus, Abkürzung RSV, ist vor allem für Kleinkinder gefährlich. Wie oft begegnet Ihnen als Kinder- und Jugendärztin die Krankheit?
Gülsen Sever Yildiz: Sehr oft. Bei Kindern ist die RSV-Infektion der häufigste Grund für eine Hospitalisierung in den Wintermonaten. Und unsere Studien zeigen Anfallsraten zwischen 24 und 57 Prozent bei Kleinkindern unter zwei Jahren. Das unterstreicht die hohe Infektiosität. Zwar können sich auch ältere Kinder und Erwachsene mit dem Virus anstecken, sie entwickeln allerdings meist nur leichte Symptome. Bei Babys und Kleinkindern ist das anders. Die Erstinfektion passiert in der Regel in den ersten 2 Lebensjahren – und da beobachten wir eine Häufung der Fälle, die wir in den Spitälern aufnehmen müssen. Bei Risikogruppen wie Frühchen oder Kindern mit Herzfehlern besteht dabei immer die Gefahr von Komplikationen.

Dr. Gülsen Sever Yildiz ist Ärztin an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Graz. Sie ist eine der Autorinnen der Southern Austria RSV Inpatient Investigation Study­, kurz ARNI­-Studie, unter der Leitung von Prof. Dr. Bernhard Resch. Dabei wurden über einen Zeitraum von sieben Jahren epidemiologische Daten von 976 RSV assoziierten Hospitalisierungen in der Steiermark zusammengetragen. Der Großteil der in den steirischen Kliniken aufgenommenen Säuglinge war jünger als ein Jahr. Die Zahl der Hospitalisierungen hat zuletzt
stark zugenommen.

Es gibt immer noch keine kausale RSV-Therapie. Wie steht es um Prophylaxen?
Wir haben bei den Kindern seit 1998 die Möglichkeit, speziell gefährdete Säuglingsgruppen wie Frühgeborene zu impfen. Dafür braucht es bei Anwendung des seit 1999 verwendeten monoklonalen Antikörpers Palivizumab eine Injektion pro Monat – also fünf Mal pro RSV-Saison. Seit dem Sommer des Vorjahres gibt es den neuen Wirkstoff Nirsevimab, der nur einmal pro Saison gegeben werden muss. Die EMA hat auch eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen.

Das klingt vielversprechend …
Die Effektivität des neuen Medikamentes ist laut Studien hoch. Aber beide Präparate sind sehr teuer. Bei fünf Dosen Palivizumab oder einer Impfung mit dem neuen Wirkstoff Nirsevimab sprechen wir von vierstelligen Beträgen. Die Kassen übernehmen die Kosten von Palivizumab nur bei vulnerablen Säuglingsgruppen. Das neue Medikament Nirsevimab von Sanofi ist noch gar nicht im Leistungskatalog. Das ist für viele Eltern eine hohe Hürde.

Eine Impfung mit dem neuen Vakzin Nirsevimab kostet rund 1500 Euro, Palivizumab ist in Summe um nichts günstiger. Angesichts dieser Kosten – welchen Realitäten begegnen Sie in der Säuglingsstation?
Das kann man sich doch vorstellen. Alle wollen das Beste für ihr Kind. Aber für viele Eltern kommen die Ausgaben einem Monatsverdienst gleich. Das macht es für manche schwierig, sich für den Schutz ihrer Kinder zu entscheiden –, auch wenn sie es sich gerne leisten würden. Für Risikokinder werden die Kosten nach Chefarztbewilligung von den Kassen übernommen. Die hohen Kosten haben aber auch schon andere Reaktionen hervorgerufen.

Und zwar?
Ich habe auch die Wirkung erlebt, die in eine andere Richtung ging: Was so teuer ist, muss gut sein. Wie die Eltern gehört hatten, dass die Impfung so viel kostet, wollten sie sie unbedingt für ihr Baby haben. Aber das war natürlich nur eine verschwindende Minderheit.

Die Pandemie hat die Impfdiskussion zugespitzt. Welche Erfahrungen machen Sie, wenn Sie die Impfung eines Säuglings empfehlen?
Die deutlich überwiegende Mehrheit der Eltern ist besorgt und tut alles für ihr Kind. Aber wir haben auch vor der Pandemie schon mit Eltern zu tun gehabt, die ihre Kinder unter keinen Umständen impfen lassen wollten. Die Fälle haben sich im Zuge der Pandemie gehäuft.

Wie reagieren Sie?
Ich versuche, in einem ausführlichen Aufklärungsgespräch die Vorteile und die Risiken genau zu beschreiben. Ich begegne dabei starken Meinungen, die im Internet und in Gruppen verfestigt wurden. Man erkennt aber relativ rasch, wer offen ist für Argumente und wo man gegen eine Mauer redet. Wir haben den Vorteil, dass es auf den Säuglingsstationen Zeit für ein intensives Aufklärungsgespräch über Impfnebenwirkungen gibt. Meistens wissen die Eltern gar nicht, welche schwerwiegenden Erkrankungen wir durch die Impfungen verhindern können. Auch der Hinweis auf Reiseimpfungen ist oft hilfreich. Wenn das Umfeld passt, hören die Menschen schon zu. Und manche überlegen es sich. Aber nicht alle.