Fit mit Maibaum

Lesedauer beträgt 2 Minuten
Autor: Norbert Peter

Bekenntnisse eines Leidenden. Eine Satire von Norbert Peter.

Ich bin ja nicht nur bekennender Hypochonder, sondern auch bekennender Fußballfan der österreichischen Nationalteams. Die Damen und Herren bereiten mir zuletzt immer wieder Freude. Das war nicht immer so. In meiner Jugend war das Anschauen schmerzvoller Niederlagen im besten Fall charakterbildend. Mit einhergegangen ist wahrscheinlich auch die Entwicklung meiner Bereitschaft zum Leiden. Womit sich der Kreis zu meiner eingangs erwähnten Hypochondrie schließt.

Doch jetzt wird alles anders: Zuerst kamen David und Marko als kickende Heilsbringer und dann auch noch der Trainer-Guru Ralf, der das Niveau mit derselben deutschen Gründlichkeit nach oben schraubt, mit der das Niveau der öffentlichen Bahnverbindungen ebendort ins Unterirdische verschoben wird. Also werden die Unsrigen bei der Europameisterschaft in Deutschland wohl die Schienen meiden, wenn sie zwischen ihren Arbeitsstätten hin und her pendeln.

Aber bis es so weit ist, müssen wir die entsprechende Reife an den Tag legen. Dazu gehört unter anderem und vor allem der Heilungsprozess, durch den „unser David“ noch gehen muss. Im linken Knie ist sein Kreuzband gerissen: Insider, auch medizinisch geschulte, sprechen bereits von einem Wunder, wenn er es noch schaffen würde, bis zu unserem Eröffnungsspiel im Juni gegen Frankreich wieder fit zu sein.

Hier also braucht es jetzt einen gesamt-österreichischen Kraftakt!

Spontan kommt mir die Besatzung des Lorenz-Böhler-Spitals in den Sinn, die auf manch Außenstehende heimatlos wirkt. Wegen mangelndem Brandschutz war plötzlich Feuer am Dach und man schloss in Wien-Brigittenau blitzartig die Pforten. Ich finde, wir sollten die vagabundierenden OP- und Reha-Teams des Unfallkrankenhauses alle ins Prater-Stadion umleiten, wo eine „David Alaba-Spezialklinik“ eingerichtet werden könnte. Das Thema, in das sich alle für die nächsten Monate reinknien sollten, liegt auf der Hand. Und läuft hoffentlich bald wieder über den grünen Rasen.

Letztlich würde das uns allen nützen, denn von einem gewonnenen Großbewerb geht ein ungeheurer Impuls aus. Wir würden uns alle stärker fühlen, auf einer Euphoriewelle plötzlich Herausforderungen stemmen, die vor Kurzem noch unbewältigbar schienen: täglich 10.000 Schritte schaffen, einen fleischfreien Tag einschieben – und zweimal täglich Zähne putzen! Die Kosten für die Ausgaben zur Volksgesundheit würden so weit sinken, dass wir Mittel in die Stärkung unserer neuen Leitkultur stecken könnten: Jeder Haushalt erhält einen gratis Maibaum! Damit sollten wir auch leichter die Rückschläge rund um die nationalen TV-Leibesübungen „Fit mit Philipp“ leichter verkraften.

Danach werden wir auch die Pflegekrise europameistern!

Angeblich brauchen wir bis zum Jahr 2030 zusätzlich 100.000 Pflegekräfte, damit wir alle die Gesundheitsbetreuung genießen können, die der Gesetzgeber für uns vorsieht. Wir alle? Naja, laut Statistik werden in sechs Jahren rund 350.000 zu betreuende Menschen unter uns leben. Es gibt zwar auch Statistiken, die meinen, wir kämen mit rund 50.000 zusätzlichen Pflegekräften aus. Aber wurde da auch mitkalkuliert, dass unsere Pflegekräfte oft nur Teilzeit arbeiten? – Weil sie oft zuhause auch wen versorgen oder pflegen müssen – Kinder oder Schwiegereltern. Dann müssen sie halt zuhause Vollzeit arbeiten: nämlich sich selbst pflegen und das eigene Burn-Out behandeln. Egal. Sie haben dann wenigstens einen Maibaum zuhause, mit dem sie sich fit halten.   

Norbert Peter
Kabarettist, Buchautor, Journalist
Peter & Tekal, medizinkabarett.at

Nächste Termine:
„WechselWirkung“ am 7.6.2024 im Orpheum
(A-1220 Wien, Beginn: 19.30 Uhr) und
am 27.6..2024 im Bierkabarett
(A-5162 Obertrum am See, Beginn: 20.00)

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