Bekenntnisse eines Leidenden. Eine Satire von Norbert Peter.
Die weihnachtlichen Feiertage waren wieder von Mangel gezeichnet. Nein, nicht von jenem am Festtagstisch: Der bog sich unter Köstlichkeiten, Karpfen und Krapfen gaben sich sprichwörtlich die Hand. Aber die mit der Völlerei verbundenen Nebenwirkungen für den Verdauungstrakt offenbarten einen anderen Mangel. Sämtliche Bekannte aus dem Gesundheitssystem, deren Rat und Hilfe ich suchte, stöhnten unter Überstunden oder auf Schipisten und waren nur unter Androhung namentlicher Nennung in einer meiner Kolumnen bereit, mich zu behandeln. Das hat dann doch diese Tage etwas getrübt.
Eigentlich sollte ich mich glücklich wähnen, sind wir doch Zeitzeugen elementarer Ereignisse. Oder mit anderen Worten: Die Satire bekommt Stoff ohne Ende. Ein amerikanischer Hotelier namens Donald will als Präsident Kanada und Grönland einkassieren. Der Kärntner Wirtschaftsflüchtling Herbert, der sich im Wiener Speckgürtel niedergelassen hat, hat als Volkskanzler das Gleiche mit der Volkspartei samt ihren Werten vor (Einkassieren. Nicht niederlassen). Dann sollen gerüchteweise endlich die Töchter wieder die Bundeshymne verlassen dürfen. Glaubt er doch, sein Ohr an des Volkes Ohr zu haben und zu wissen, was es hören will.
Dabei braucht man nur mal im Oval des Praterstadions oder im Wiener Musikverein Platz zu nehmen, um zu erleben, was des Volkes Seele wirklich zum Beben bringt. Da intonieren die Philharmoniker beim Neujahrskonzert den Radetzky-Marsch und dort legt der Fußball-versierte DJ Rainhard Fendrich auf: „I am from Austria“ ist anscheinend die ideale musikalische Unterlage, wenn die Bierfahnen für das Nationalteam geschwungen werden.
So viel und noch mehr könnte man auf der Kabarett-Bühne oder in einer Satire darbieten. Wenn nur der Faktor Zeit nicht wäre. Sie, werte Leserinnen und Leser, müssen nämlich wissen, dass zwischen dem Moment, in dem ich die Zeilen tippe, und jenem, in dem Sie Ihr Magazin aufschlagen, locker 24 und mehr Stunden vergehen. Zeit, die reicht, um ein Kapitol zu stürmen. Oder zumindest, damit eine Beate den Verhandlungstisch verlässt.
Da wünsche ich mir doch eine „KI“, die mich vor der Blamage der Vergänglichkeit bewahrt. Eine „Künstlerische Intelligenz“, die meine Texte auf dem Weg zu Ihnen aktuell hält. Und ich meine damit weder meinen Chefredakteur noch die Grafikerin und schon gar nicht den Briefträger. Eine „KI“ soll alle zehn Minuten den Text auf seine Aktualität überprüfen und gegebenenfalls eingreifen. Aus dem Karl einen Christian machen. Eine Karoline. Und einen Sebastian. Wenn nötig.
Unaufhaltsam. Die Walze der Digitalisierung erobert unseren Alltag wie seinerzeit das Dampfross den Westen. Da wie dort gibt es Opfer zu beklagen. Aber kann man sich dem Fortschritt wirklich sinnvoll entgegenstellen? Noch dazu, wo ja auch so manche Vorteile mit dieser Entwicklung einhergehen. Schließlich gelangt man heute in zwei Tagen und sechs Stunden gemütlich mit dem Zug von Chicago nach San Francisco.
Voraussetzung für die Nutzung der KI ist MI: Es braucht eine gehörige Portion an menschlicher Intelligenz, um die Vorteile der Künstlichen Intelligenz voll auskosten zu können. So wie sie kürzlich Antonio, der Bürgermeister von Belcastro in Kalabrien, bewiesen hat. Folgende Ausgangsposition: Ärztemangel ist kein rein österreichisches Problem, auch anderswo gehen Menschen in den Ruhestand. Oder dorthin, wo sie besser verdienen oder kürzere Wege zur Betreuungsstätte ihrer Kinder haben. Obwohl wir alle möglichst allumfänglich und überall weiterhin geheilt und gepflegt werden wollen. Antonio hat, mangels medizinischer Versorgung seines Dorfes, Kreativität gezeigt: Per Verordnung hat er seiner Gemeinde das Kranksein untersagt.

Norbert Peter
Kabarettist, Buchautor, Journalist
Peter & Tekal, medizinkabarett.at
Termine am Nachmittag:
„30 Jahre Gesund Gelacht“ am 2.3.2025 um 15.30 Uhr im CasaNova (A-1010 Wien) und
am 30.3.2025 um 13 Uhr im Orpheum (A-1220 Wien).