Stichwort Zollkeule: Warum Trump sie schwingt und wen sie trifft

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Autor: Scho

Die einstweilige Ausnahme von Arzneimitteln von den neuen US-Zöllen sorgt in der Pharmaindustrie zunächst für Aufatmen. Die Aktien von Pharmaunternehmen legten am Donnerstag in Europa und Asien zu. Doch die Unsicherheit bleibt: Ein US-Regierungsvertreter erklärte, dass Präsident Donald Trump weitere Zölle auf Halbleiter, Pharmazeutika und möglicherweise wichtige Mineralien plane.

„Auch wenn Arzneimittel zum jetzigen Zeitpunkt von den allgemeinen Strafzöllen ausgenommen sind, gilt dies nicht automatisch auch für Vorleistungsgüter und den transatlantischen Handel“, warnte der deutsche Verband der forschenden Pharmaunternehmen. „Zudem bleibt offen, ob Pharmazeutika möglicherweise später doch noch mit sektoralen Zöllen belegt werden könnten. Zölle auf Arzneimittel hätten erhebliche Folgen für die Patientenversorgung und den Wirtschaftsstandort.“

Auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) zeigte sich besorgt: „Zölle verteuern die Einfuhren in den US-Markt und führen zugleich vermutlich zu Kostensteigerungen im US-Gesundheitssystem – eine Lose-Lose-Situation, in der am Ende die Patienten die Verlierer wären“, sagte BPI-Chef Oliver Kirst.

Selektiver Rundumschlag

Trump hatte am Mittwoch beispiellose Zollerhöhungen auf alle Importe der USA erlassen. Vom 5. April an soll ein Basiszoll von zehn Prozent auf alle Einfuhren gelten. Zudem kündigte Trump höhere Zölle auf einige der größten Handelspartner an, die am 9. April wirksam werden sollen. Für die EU sollen Zölle von 20 Prozent greifen. Einige Waren sind von den Maßnahmen ausgenommen, darunter Pharmazeutika, Kupfer, Halbleiter, Holzprodukte, Gold, Energie und „bestimmte Mineralien, die in den USA nicht verfügbar sind“, heißt es in einer Veröffentlichung des US-Präsidialamtes. Ob die Ausnahme für Arzneimittel dauerhaft gilt, ist keineswegs sicher.

Die USA sind der weltweit größte Pharmamarkt und ein zentraler Handelspartner für Deutschland. 2023 gingen Arzneimittel im Wert von 26 Milliarden Euro – und damit ein Viertel der Branchenexporte – in die USA. Gleichzeitig sind die Vereinigten Staaten das wichtigste Zuliefererland für die Branche: Etwa zwölf Prozent der für die Medikamentenherstellung in Deutschland benötigten Vorprodukte stammen von dort.

Trump beruft sich bei seiner Handels-Kriegserklärung auf den International Emergency Economic Powers Act (IEEPA): ein Gesetz aus dem Jahr 1977, das auch Basis für im Februar verhängte Zölle auf chinesische, mexikanische und kanadische Waren war. Trump rechtfertigte diese mit dem Kampf gegen das Opioid Fentanyl und die illegale Einwanderung in die USA. Das IEEPA räumt ihm weitreichende Befugnisse zur Krisenbekämpfung ein. Trump rief im Rahmen dieses Gesetzes den nationalen Notstand aus, da das Defizit der USA im internationalen Warenhandel „groß und anhaltend“ sei. Es stieg 2024 auf 1,2 Billionen Dollar (1,11 Billionen Euro).

Trump sieht das chronische Außenhandelsdefizit der USA als Beleg dafür, dass andere Länder sein Land über den Tisch ziehen. Mit den neuen Handelshürden, den sogenannten reziproken Zöllen, will er ausgewählte Staaten bestrafen und überdies die Staatskasse füllen. Die EU wird mit einem US-Zollsatz von 20 Prozent belegt.

Auch asiatische Handelspartner bleiben nicht ungeschoren – allen voran der US-Rivale China: Der Volksrepublik, die 2024 mit 295 Milliarden Dollar den größten Handelsüberschuss mit den USA erzielte, wird ein Zollsatz von 34 Prozent aufgebrummt. Doch damit nicht genug: Laut US-Finanzminister Scott Bessent erhöht sich dieser Zollsatz auf 54 Prozent, wenn man die 20-prozentigen Zölle hinzuzähle, die Trump im Februar unter Verweis auf die Fentanyl-Krise verhängt hatte. Trump hatte im Wahlkampf einen Zollsatz von 60 Prozent auf chinesische Waren versprochen.

Zollhammer

Auch Taiwan, das von Peking als Teil der Volksrepublik angesehen wird, trifft Trumps Zollhammer: Für die Inselrepublik wird ein Zollsatz von 32 Prozent fällig. Für Indien (26 Prozent), Japan (24 Prozent) und Südkorea (25 Prozent) fallen niedrigere Zollhürden an, für Thailand (36 Prozent) und Vietnam (46 Prozent) sind die Sätze höher.

Weniger hart fällt der Zollhammer für Großbritannien, Brasilien und Singapur aus – Staaten, die im vergangenen Jahr Handelsdefizite gegenüber den USA aufwiesen. Dennoch gilt für sie der Basiszollsatz von zehn Prozent. Vertreter des US-Präsidialamtes erklärten, viele Länder würden höhere Defizite gegenüber den USA aufweisen, wenn ihre Politik fairer wäre. Russland stand nicht auf Trumps Zollliste. Und dies, obwohl das Land laut dem Büro des US-Handelsbeauftragten 2024 einen Handelsüberschuss bei Waren von 2,5 Mrd. Dollar (2,3 Mrd. Euro) mit den USA erzielte.

Auf Waren aus Kanada und Mexiko werden derzeit keine reziproken Zölle erhoben, da die von Trump bereits zuvor im Zuge der Fentanyl-Krise eingeführten Zölle von 25 Prozent auf deren Produkte in Kraft bleiben. Auch die zehnprozentigen Einfuhrgebühren auf kanadische Energie und auf Kali aus dem nördlichen Nachbarland sollen weiter gelten. Eine Zollbefreiung für Waren, die unter das Handelsabkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada (USMCA) fallen, bleibt jedoch auf unbestimmte Zeit bestehen. Dies kommt US-Autoherstellern sehr gelegen. Trump hatte erklärt, die vor einem Monat gewährte Ausnahmeregelung des USMCA laufe am Mittwoch aus.

(APA/Reuters/red.)

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