Ein Wissenschafterteam aus Österreich, Deutschland, Frankreich, Belgien und Griechenland mit COV50 arbeitet an einem Test, über den die Sterblichkeit bei einer Reihe an Erkrankungen vorhergesagt werden soll. Als Marker dienen 50 Protein-Fragmente. Ursprünglich wurde der Test bei Covid-19-Patienten erprobt. Über die selbe Methode sollen auch Prognosen für anderen Erkrankungen möglich werden. Gesundheitswirtschaft.at hat berichtet. Felix Keller ist an der Arbeit beteiligt. Wir haben bei ihm nachgefragt.
Wo und in welchem Rahmen sehen Sie die praktische Anwendung solcher Tests?
Felix Keller: Diese Art Tests dienen vor Allem, um „vulnerable“ Patienten spezifisch zu identifizieren, also Patienten die ein erhöhtes Risiko für Komplikationen haben, zum Beispiel während Infektionen, Spitalsaufenthalt, bei Operationen. Ergänzend möchte ich noch hinzufügen: Mit der Proteomanalyse werden auf der molekularen Ebene erstmals chronische Erkrankungen erkannt. Bekanntlich werden die krankheitsspezifischen Veränderungen ausschließlich von Proteinen gesteuert. Medikamente wirken nur auf dieser Ebene- alleinig auf Proteine – effizient. Also: Wir können damit chronische Erkrankungen früh erkennen und behandeln – anstatt wie derzeit erst mit weit fortgeschrittenen Organschaden, der dann nicht mehr zu stoppen ist. Außerdem lassen sich Aussagen darüber treffen, wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist.
Findet das bereits Anerkennung? Gibt es bereits Zulassungen?
Die CE-MS basierte Proteomanalyse hat den „Letter of Support“ der Food and Drug Administrationen (FDA) alleinig für die CE/MS Technologie für die Bestimmung der chronischen Nierenerkrankungen erhalten hat. Die FDA hat die Proteomanalyse mit ihren Aussagen auf Herz und Nieren geprüft. In Deutschland ist der Gemeinsame Bundesausschuss, die Selbstverwaltung der Leistungserbringer mit den klassischen Methoden an den eigenen Interessen gescheitert. Der Gesundheitsminister Karl Lauterbach schafft nun die neue Superbehörde – das Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin. In Österreich hat man scheinbar ähnliches vor. Dies wird jedoch die Qualität der Versorgung kaum verbessern, dafür bedarf es innovativer Ansätze wie den von uns vorgestellte Proteomanalyse und keiner neuen bürokratischen Behörde. Zu dieser Ansicht sind einige fortschrittlichere EU Staaten und die USA auch gelangt und dabei die Proteomanalyse einzuführen.
Welche Hindernisse gibt es zu überwinden vor einer breiten Anwendung solcher Tests?
Neben der Kostenübernahme ist derzeit das größten Hindernis, dass diese Tests noch wenig bekannt sind. Die Tests stehen für Privatzahler zur Verfügung, seitens der Krankenkassen gibt es unseres Wissens nach noch keine Kostenübernahme – obwohl es damit wesentlich kosteneffizienter wäre schwerwiegende und vor allem langfristig teure Komplikationen zu verhindern. hinzu kommt: Bisher konnte das Gesamtproteom nicht in ausreichender Qualität entschlüsselt werden. Bestimmte Arten von Proteinen wurden bisher nicht präzise definiert und erkannt. Zudem muss diese Gesamtinformation aus einer einzigen Körperflüssigkeitsprobe erfolgen. 6 Gigabyte an Information über bis zu 12.000 relevante krankheitsspezifische Proteine und deren Bruchstücke müssen valide und stabil reproduzierbar analysiert werden. Das ist nun erstmals mit der Proteomanalyse alles möglich.
Was sind die nächsten Schritte in der Forschung?
Aus 50 sogenannten Biomarkern wird mit Hilfe künstlicher Intelligenz das Risiko für Komplikationen und Tod errechnet. Im nächsten Schritt wird dieses Wissen nun verwendet, um mittels gezielter, personalisierter Intervention eben diese Komplikationen und besonders den Tod der Patienten zu verhindern. Derzeit laufen Gespräche für einen breiten Einsatz in Dänemark, Schweden und Dubai.
Das klingt wie ein Blick in die biologische Kristallkugel
Die Kosten der chronischen Erkrankungen machen in den entwickelten Ländern Europas und den USA 80 % aller Gesundheitskosten aus, weil sie zu spät erkannt und nicht mehr gezielt behandelt werden können. Die frühe Erkennung ist zwar der Kardinalschlüssel zur epochalen verbesserten Krankheitsversorgung, aber es fehlt die den Patienten deutlich zu machende Dringlichkeit ihrer Therapietreue, um der nicht sichtbaren und fühlbaren Erkrankungen Herr zu werden. Dazu der Test auf die Dringlichkeit der Therapietreue, das Risiko des Ablebens unter den gegenwärtigen Bedingungen. Zusätzlich ist erforderlich, dass die Medikamente auf die Krankheit spezifisch wirken müssen. Das ist bei jedem Patienten unterschiedlich. Derzeit setzen viele Patienten die verschriebenen Medikamente selbst ab, weil sie z.B. den Bluthochdruck nicht mit den eingenommenen Medikamenten wirksam herabsetzen konnten und Nebenwirkungen hierfür nicht weiter in Kauf nehmen wollen. Das alles wird im Proteom sichtbar, auch die prognostische Wirksamkeit der Therapie.
(red.)