Zweifel an Kosten und Inhalten von Psychotherapie-Studium

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Autor: Scho

Die Psychotherapieausbildung ist in Österreich derzeit ausschließlich privat organisiert, aktuell kostet sie zwischen 25.000 und 50.000 Euro. Um die Ausbildung leistbarer zu machen und das Angebot an Psychotherapieplätzen deutlich auszuweiten, will die Regierung die Ausbildung künftig an den öffentlichen Unis anbieten. Für die im Gesetzesentwurf geplante Akademisierung gibt es grundsätzlich viel Lob. Bei Kosten, Organisation und Inhalten werden aber Nachbesserungen gefordert.

Derzeit findet die Ausbildung an privaten außeruniversitären Ausbildungseinrichtungen und Privatunis statt und besteht aus einem zweijährigen Propädeutikum und dem – je nach Fachrichtung – drei-bis sechsjährigen Fachspezifikum. Der Entwurf für die Novelle zum Psychotherapiegesetz, deren Begutachtungsfrist bereits geendet hat, sieht künftig ein dreigliedriges System vor: An den öffentlichen Unis soll es ab 2026 ein zweijähriges Masterstudium für Psychotherapie geben, bis zu 500 Plätze pro Jahr sind geplant. Derzeit gibt es dort Psychotherapie-Ausbildungen nur fallweise in Form von kostenpflichtigen Uni-Lehrgängen.

Ähnlich wie beim derzeitigen Propädeutikum soll ein fachlich einschlägiges Bachelorstudium (etwa Medizin, Bildungswissenschaften) Zugangsvoraussetzung zum Masterstudium sein, auf Wunsch sollen die Unis aber auch selbst eigene Bachelorstudien anbieten können. Bachelor- wie Masterstudium sollen außerdem weiter auch an Privatunis möglich sein. Dritter Ausbildungsteil ist eine postgraduelle psychotherapeutische Fachausbildung bei Psychotherapeutischen Fachgesellschaften, während der man schon unter Supervision therapeutisch arbeiten kann.

Während diese geplante dreigliedrige Form in den Stellungnahmen durchgehend auf Zustimmung stößt, gibt es bei der konkreten Ausgestaltung Widerspruch. Und auch ob das eigentliche Ziel der Reform – leichterer Zugang zur Ausbildung, bessere psychotherapeutische Versorgung – erreicht werden kann, wird in den Stellungnahmen der Ausbildungsinstitutionen, Unis und Interessensverbände in Frage gestellt.

So sei durch das Gesetz keineswegs abgesichert, dass die neue Ausbildung günstiger sein wird als die aktuelle, wird von mehreren Seiten gewarnt. Die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Gestalttheoretische Psychotherapie (ÖAGP) etwa geht davon aus, dass auch im neuen System noch immer Kosten in fünfstelliger Höhe anfallen werden. Die Ausbildung werde durch die Reform länger und das Gros der Kosten werde künftig eben im dritten Ausbildungsteil (mit Supervision, Selbsterfahrung etc.) nach dem Masterabschluss anfallen. Das Land Kärnten befürchtet wegen der längeren Ausbildung sogar, dass das Interesse am Beruf abnehmen könnte.

Gleichzeitig wird in den Stellungnahmen Klarheit bei der Finanzierung des Master-Studiums vermisst. Der Arbeitskreis für Gruppentherapie und Gruppendynamik (ÖAGG) fordert etwa ebenso wie kürzlich die Universitätenkonferenz (uniko) eine Einstufung bei der Studienplatzfinanzierung auf demselben Level wie das Medizinstudium, um eine Finanzierung von Kleingruppen- und Einzelunterricht sicherzustellen.

Ringen um Inhalte

Skepsis gibt es auch in Bezug auf die Inhalte: So sei derzeit in der Ausbildung nur ein Minimum den Bereichen Psychiatrie und Psychosomatik gewidmet, kritisieren etwa die Weiterbildungseinrichtungen, die derzeit die von der Ärztekammer organisierte Psychotherapie-Ausbildung (PSY) anbieten. Sie fordern gemeinsam mit anderen Institutionen wie der Gesellschaft für Neuropsychopharmakologie und Biologische Psychiatrie (ÖGPB) mindestens 500 Stunden Praktika in diesem Bereich.

Der Uni Graz sind die inhaltlichen Vorgaben an die autonomen Unis beim Master „viel zu umfangreich“, auch wenn es um den Zugang zu einem reglementierten Beruf geht, und die Uni Wien stellt in Frage, ob die gesetzlichen Vorgaben von den Unis realistischerweise zu vertretbaren Kosten umsetzbar sind. Falls nicht, könnten die Studierenden erst recht wieder von teuren kommerziellen Angeboten abhängig sein, warnt sie.

Die Vorgaben sind für die Uni Graz auch „aus fachlicher Sicht zum Teil sehr problematisch“: So gebe es im Master zu wenig Theorie und zu viel Praxis, hier sollte es eine Verschiebung gegenüber dem dritten Ausbildungsabschnitt geben. Für die Donauuni Krems wären außerdem neben einer Aufnahmsprüfung Aufbaumodule notwendig, damit die Studierenden aus den unterschiedlichsten Bachelorstudien auf einen einheitlichen Wissensstand kommen. Für diverse Fachorganisation wäre wiederum dringend ein höherer Mindestumfang bei Einzel- und Gruppenselbsterfahrung notwendig, nämlich wie derzeit vorgesehen mindestens 200 Stunden anstelle der künftig geplanten 150.

„Krankheitswertige Störungen“

Probleme sieht man in den Stellungnahmen auch bei den Zugangsvoraussetzungen zum Masterstudium: Die Uni Graz warnt etwa, dass die Vorgaben im Gesetzesentwurf derzeit von keinem bestehenden Bachelorstudium erfüllt würden und es demnach zu wenige Master-Studienanfänger geben könnte. Ein Psychologie-Studium reiche – anders als von der Politik kommuniziert – laut Gesetzesentwurf nämlich keineswegs als Voraussetzung, wird von Vertretern der Psychologie bemängelt.

Kritik kommt auch daran, dass nur inländische Unis und Privatunis Psychotherapie-Bachelor und -Master anbieten können sollen, während ausländische Einrichtungen und die Fachhochschulen (FH) ausgeschlossen werden. Immerhin seien laut Entwurf mit Sozialarbeit bzw. Musiktherapie zwei ausschließlich an FHs angebotene Studien dem ersten bzw. sogar zweiten Ausbildungsteil gleichgestellt.

Der Sozialversicherungs-Dachverband hält in seiner Stellungnahme unterdessen fest, dass er sich nur für die Finanzierung der Behandlung von „krankheitswertigen Störungen“ zuständig sieht. Außerdem will man nur für Sachleistungen von vollständig ausgebildeten Psychotherapeuten zahlen und nicht für solche unter Supervision. Für die praktische Ausbildung in Versorgungseinrichtungen könne man nur bei einer nachhaltigen Finanzierungszusage durch den Bund aufkommen. Der Rechnungshof (RH) merkt wiederum kritisch an, dass die Erläuterungen zu den finanziellen Auswirkungen der Reform nicht vollständig und nachvollziehbar scheinen.

Einhelliges Lob kommt dafür, dass Online-Therapieangebote nun explizit im Gesetz geregelt werden sollen. Das Gesetz soll 2025 in Kraft treten.

(APA/red.)

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