Virtuelle Überredungskünste

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Autor: Michaela Endemann

Wissenschaftler der Uni Wien forschen nach den Gründen der Impfskepsis. Chatbots und Virtual Reality-Projekte sollen die Impfkommunikation verbessern.

Robert Böhm ist seit 2021 Professor für „Sozialpsychologie im Kontext von Arbeit, Gesellschaft und Wirtschaft“ an der Universität Wien. So lautet der offizielle Titel seines Lehrstuhls. Teil seines Aufgabengebietes ist die Erforschung der Frage: Was bewegt Impfskeptiker und wie kann eine zielführende Impfkommunikation in die Wege geleitet werden? Neueste Forschungsmodelle basieren auf sieben Gründen einer Impfskepsis bzw. Verweigerung: Vertrauen, Gleichgültigkeit, Barrieren, Abwägung sowie kollektive Verantwortung, Verschwörungsglauben und Regelkonformität.

Die klassische Impfkommunikation findet als persönliches Gespräch, via Broschüren oder Kampagnen statt. „Diese Angebote erreichen jedoch nicht alle Bevölkerungsgruppen und sind nur unzureichend auf die Informationsbedürfnisse einzelner Personen zugeschnitten“, so Böhm am diesjährigen Österreichischen Impftag. Zudem sei eine zunehmende Heterogenität und Polarisierung der Einstellung zu Impfungen zu beobachten. „Der Impfstatus wird Teil der sozialen Identität. Die schwierigen Zeiten liegen noch vor uns“, so Böhm. Er ist überzeugt: „Moderne Technologien wie Virtuelle Realität oder Künstliche Intelligenz können in der Kommunikation mit Impfkandidaten helfen.“ Mittels Chatbots und VR-Angeboten ließe sich Vertrauen aufbauen und Wissen vermitteln.

Neue Wege. Moderne Technologien wie Virtuelle Realität oder Künstliche Intelligenz
können in der Kommunikation mit Impfkandidaten helfen.

Chatbots

Chatbots sind textbasierte Dialogsysteme, die Fragen zur Impfung beantworten und dabei unter Verwendung von Künstlicher Intelligenz personalisierte Antworten geben. „Chatbots können die Arzt-Patientenkommunikation ergänzen, da sich manche Patienten lieber mit einem anonymen Chatbot unterhalten. Der Chatbot hat kein Eigeninteresse, daher wird ihm mehr vertraut“, so Böhm. Impfbezogene Stimmungsbilder und Informationslücken würde der Chatbot bei Fragen erkennen und dementsprechend reagieren können. Erste Forschungen zeigen, dass eine Kommunikation mit einem Chatbot die Effektivität der Kommunikation, insbesondere bei impfskeptischen Personen verbessern kann. Einen weiteren Vorteil sieht Böhm darin, dass Chatbots zeitunabhängig genutzt werden. Erste Pilotprojekte für die Masern-Mumps-Röteln (MMR) -Impfkommunikation finden derzeit in Italien und Bangladesh via Smartphone-Apps statt. Noch fehlt lokalspezifisches Wissen. „Welche Impfstation offen hat, weiß der Chatbot nicht.“

Virtuelle Realität

Neben der Erhöhung des Vertrauens sei eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit Kommunikationsinhalten nötig, um Verständnis für die Vorteile einer Impfung zu erhalten. Dies könne mit VR erreicht werden. VR lässt Menschen mittels einer Datenbrille in virtuelle Welten eintauchen, die sie in der echten Welt nicht erleben. Im Berliner Naturkundemuseum wurde eine interaktive VR-Ausstellung mit über 800 Teilnehmenden installiert. Im Kontext ‚Hochzeit‘ musste man sich durch die Gesellschaft bewegen, Geschenke ablegen, durfte sich aber nicht anstecken. Erste Ergebnisse der labor- und feldexperimentellen Verhaltensstudien zeigen, dass diese Angebote nicht nur sehr gut angenommen werden, sondern auch oftmals effektiver als klassische Kommunikationsformate seien. „Es liegt daran, dass Menschen komplexe Sachverhalte mit VR besser verstehen, weil sie sie direkt erleben.“ Er bedauere jedoch, dass die Bereitschaft für solche Projekte derzeit noch sehr rar sei.

Quellen und Links:

Österreichischer Impftag: impftag.at

Impfbereitschaft und Impfpflicht: Ein Update

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