Christian Köck: „Es wird mehr Geld in die Rehabilitation fließen müssen“

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Autor: Michael Krassnitzer

Gesundheitsökonom und Reha-Betreiber Christian Köck erzählt von KI-Anwendungen im neurologischen Bereich und erklärt die Chancen der Telematik, die Nachversorgung zu verbessern. Den Bereich der ambulanten Reha hält er aber für überbewertet.

Herr Köck, wie sinnvoll ist Rehabilitation?
Christian Köck: Aus volkswirtschaftlicher und gesundheitlicher Perspektive ist Rehabilitation sehr sinnvoll. Rehabilitation ist eine effiziente Verwendung von Ressourcen im Gesundheitssystem. Das Reha-System ist ein wichtiges Asset des österreichischen Gesundheitssystems. Es hält Menschen länger in der Mobilität und auch im Erwerbsleben.

Lässt sich das mit Zahlen belegen?
Gehen wir – damit sich leicht rechnen lässt – von einem Tagsatz von 250 Euro aus. Bei einer 20-tägigen Rehabilitation kommen wir also auf eine Summe von 5.000 Euro. Das sind nicht einmal die Kosten eines ganzen Tages im Wiener AKH. Und für dieses Geld bekommt man Menschen, die wieder am Berufsleben und am sozialen Leben teilnehmen können, die autonom ihr Leben gestalten können, später pflegebedürftig werden, weniger Heimhilfe brauchen. Aus meiner Sicht gibt es gar keinen Zweifel, dass sich Rehabilitation volkswirtschaftlich rechnet.

Prof. DDr. Christian Köck ist Vorstand der HCC Health Care Company GmbH in Wien, die Gesundheitseinrichtungen in Österreich managt. Seine Ausbildung zum Allgemeinmediziner und Psychotherapeuten absolvierte er in Wien, an der Harvard University (USA) promovierte er im Bereich Gesundheitspolitik und Gesundheitsökonomie. Köck war unter anderem im Vorstand des damaligen Wiener Krankenanstaltenverbundes und Inhaber des Lehrstuhls für Gesundheitspolitik und Gesundheitsmanagement sowie Dekan der Fakultät für Medizin an der Universität Witten/Herdecke.

Und betriebswirtschaftlich?
Da sieht es derzeit in Österreich nicht so rosig aus. Der Arbeitsmarkt ist extrem angespannt. Die Lohnsteigerungsraten betragen mehr als zehn Prozent. Dazu kommt, dass es immer mehr Teilzeitmitarbeiter gibt, was den Betrieb an sich aufwendiger und von der Koordination schwieriger macht. Auch die technologische Entwicklung macht neue Investitionen notwendig. Zum Beispiel kommt in der neurologischen Rehabilitation immer häufiger Robotik zum Einsatz – auch das verursacht zusätzliche Kosten. Ein weiterer Grund für die Kostensteigerungen sind die höheren Ansprüche der Patienten und die damit verbundenen Investitionen in die Infrastruktur: Immer weniger Menschen sind bereit, drei Wochen lang mit einem Fremden in einem Zimmer zu wohnen und sich ein Badezimmer zu teilen. Das ist ja auch verständlich. Selbst wenn es im Zuge des Rehabilitationsplanes 2025 zu keiner Ausweitung der Kapazitäten kommen sollte, wird also grundsätzlich mehr Geld in die Rehabilitation fließen müssen.

Mehr Geld bedeutet in erster Linie höhere Tagsätze, oder?
Die Betreiber befinden sich gerade in sehr harten und schwierigen Verhandlungen mit den Sozialversicherungsträgern. Die pauschale Erhöhung der Tagsätze, die wir im letzten Jahr herausverhandeln konnten, hat sich als nicht ausreichend erwiesen. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich die Betreiber und die Zahler auf Tagsätze einigen können, mit denen beide Seiten leben können.

Die finanzielle Entlastung des Rehabilitationssystems war ein Grund dafür, dass in Österreich die ambulante Rehabilitation eingeführt wurde. Ist diese Rechnung aufgegangen?
Ich sage es ganz offen: Ich glaube nicht, dass die Entwicklung in Richtung ambulante Reha sinnvoll und gut ist. Die Kostenvorteile, die sich daraus ergeben, halte ich im Vergleich zum entgangenen Nutzen für vernachlässigbar.

Bitte begründen Sie das.
Ambulante Rehabilitation wird ja vor allem bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen forciert. Das sind Erkrankungen, die sehr oft mit Stress und Belastung zu tun haben. Gerade in diesem Fall ist eine Auszeit vom beruflichen und familiären Alltag notwendig. Die stationäre Reha bietet einen solchen geschützten Raum, in dem man zur Ruhe kommen kann, um sein Leben mit psychologischer Unterstützung zu evaluieren. Ambulante Rehabilitation ist jedoch in der Praxis oft eine zusätzliche Belastung: ein zusätzlicher Termin, den man wahrnehmen muss.

Zeit des Feilschens. Derzeit sind die Reha-Betreiber in Verhandlungen mit den Sozialversicherungsträgern, um – wie im Vorjahr – eine Anhebung der Tagsätze zu erreichen.

Gibt es andere Innovationen im Bereich der Rehabilitation, die Sie für sinnvoll halten?
Eine davon ist die Tele-Rehabilitation, also der Einsatz von moderner Kommunikationstechnologie. Über Online-Videotrainings, die in den eigenen vier Wänden absolviert werden, kann der Rehabilitationsprozess weiter in die Länge gezogen werden. Wir haben auf diesem Gebiet bereits erste Modellversuche durchgeführt. In unserem Haus in Baden beginnen wir jetzt – in Zusammenarbeit mit der Sozialversicherung der Selbständigen (SVS) – mit einem Pilotprojekt, bei dem die Patienten für den Gebrauch einer entsprechenden App eingeschult werden, die sie dann nach Ende der stationären Reha ein halbes Jahr lang zu Hause nutzen können. Das halte ich für eine überaus sinnvolle Ergänzung zur stationären Reha.

Welche weiteren Innovationsmöglich­keiten sehen Sie auf dem Gebiet der Rehabilitation in Österreich?
Im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparats wird Rehabilitation noch nicht ausreichend als Alternative zu einer Operation gesehen. Tatsächlich aber können durch eine Rehabilitation Operationen vermieden werden, etwa in Zusammenhang mit Fuß-, Schulter- und Kniegelenken. Einen Versuch ist das auf jeden Fall wert, die physikalische Medizin kann hier wirklich zu sehr guten Ergebnissen führen. Aber in vielen Fällen wird eine Rehabilitation als Behandlungsalternative gar nicht in Betracht gezogen.

Warum nicht?
In der Praxis läuft das so ab: Ein Patient kommt mit seinen Beschwerden zum praktischen Arzt. Der Allgemeinmediziner schickt ihn weiter zum Orthopäden oder zum orthopädischen Chirurgen, deren Logik natürlich darin besteht zu überlegen, was operativ getan werden kann. In der Ärzteausbildung spielt die Rehabilitationsmedizin so gut wie gar keine Rolle, so­dass weder der Allgemeinmediziner noch der Facharzt daran denken, den Patienten vielleicht zuerst einmal zu einem physikalischen Mediziner zu schicken. Dieser aber könnte zum Schluss kommen, dass eine Operation gar nicht notwendig ist und stattdessen eine – auch finanziell günstigere – Rehabilitation ausreicht.

Rehabilitation als eine Form der Behandlung – würden die Sozial­versicherungen mitspielen?
Meiner Erfahrung nach ist es so: Wenn ein niedergelassener Arzt in solchen Fällen einen Reha-Antrag schreibt und diesen gut begründet, dann geht dieser Antrag meistens durch. Ein Problem ist nur, dass die Allgemeinmediziner eine enorm hohe Arbeitsdichte haben und sich die Ausformulierung eines ausführlichen Reha-Antrags zeitlich schlicht nicht leisten können. Daher schicken sie den Patienten zum Spezialisten, womit die Schiene unweigerlich in Richtung Operation gelegt ist. Im österreichischen Gesundheitswesen ist es leider so, dass ein Ungleichgewicht herrscht zwischen der unterfinanzierten Rehabilitation und Primärversorgung auf der einen Seite sowie der hochtechnischen intramuralen Medizin auf der anderen Seite. Dabei ist gerade Rehabilitation eine äußerst kosteneffektive und günstige Intervention.