Von der Pflege ins Outdoor-Abenteuer als Fotograf und Magazingründer und von dort wieder retour in die Pflege: Hans Herbig spricht im Interview über seinen Werdegang und warum ihn der Pflegeberuf zufrieden macht.
Herr Herbig, Sie waren 20 Jahre lang erfolgreicher Fotograf und Magazingründer im Fun- und Bergsport. Und dann sind Sie wieder in den Pflegeberuf eingestiegen. Warum die Rückkehr in das konservative Arbeitsleben?
Hans Herbig: Ich bin ja gelernter Pfleger. Nach dem Abschluss meiner Pflegeausbildung wurde das Fotografieren immer umfangreicher. Am Ende war ich Mitgründer eines Snowboardmagazins und Vollzeitfotograf für Outdoor. Nach zwanzig Jahren und der Gründung einer Familie wurde es für mich Zeit für mehr Stabilität. Eine Borreliose, die mich seit einigen Jahren quält, tat dann das Übrige, um mir klarzumachen, dass es ab einem gewissen Alter wenig Sinn macht, mit 17-Jährigen am Berg herumzukraxeln. Und ich hatte auch eine Form der Sinnkrise. Ich war Teil einer Marketingmaschine, die für mich immer weniger Bedeutung hatte.

Der Münchner Hans Herbig (50) ist diplomierte Pflegefachkraft, hat aber fast 20 Jahre als freiberuflicher Fotograf im Sport- und Outdoorbereich gearbeitet. Er war Mitbegründer eines Snowboardmagazins und Mitinitiator des Dokumentarfotografie-Festivals Fotodoks. 2019 hat er wieder in den Pflegeberuf zurückgefunden. Nach fast drei Jahren auf der Palliativstation arbeitet Herbig heute auf der Intensivstation der Barmherzigen Brüder in München und absolviert die Fachweiterbildung zum Fachkrankenpfleger für Intensiv und Anästhesie.
Sie haben nach Ihrem Pflegediplom in einem Londoner Spital als Pfleger auf einer Intensivstation gearbeitet. Eine andere Form der Abenteuerlust?
Da war ich nach zwei Monaten wieder zu Hause. Die Versprechen waren besser als die Realität. Aber es war interessant zu sehen, welchen positiven Effekt es hat, mit lauter akademisch ausgebildeten Kollegen und Kolleginnen zu arbeiten. Die Kehrseite war, dass dies ein extrem hierarchisches System mit sich brachte, in dem ich als eine im Ausland ausgebildete Diplomfachkraft am unteren Ende der Pyramide stand. Ich war das aus Deutschland nicht gewohnt. In Rosenheim bin ich mit meinem Stationsleiter Snowboardfahren gegangen.
Sie haben nach Ihrer Rückkehr nach Deutschland auch auf einer Intensivstation gearbeitet. Hat sich Ihr Heimweh gelohnt?
Kann man so sagen. In München auf der Uni-Klinik hatte ich auf der Intensivstation mit ungleich kränkeren und bedürftigeren Patienten zu tun als in Großbritannien. Auch war der Pflegeschlüssel mit zwei Patienten pro Pfleger schlechter. Aber trotzdem hat alles besser funktioniert. Die Abteilung war so unfassbar gut organisiert, dass ich erstmals verstanden habe, was man unter dem Vorurteil der „deutschen Effizienz“ verstehen kann. Da habe ich mich wieder gefunden.
Sie haben bei Ihrer Rückkehr in den Pflegeberuf zunächst für fast drei Jahre auf einer Palliativstation gearbeitet. Für viele – und für mich – bedeutet dies die forderndste Form der Pflege. Warum diese Entscheidung?
Das hat etwas mit dem Tod meiner Mutter zu tun. Ich habe bei ihrer Pflege einen Beitrag geleistet und sie ist sehr würdig gegangen. Ich dachte mir: Wenn dies so abläuft, dann ist das schön. Daraufhin habe ich bei der Leiterin einer Münchner Palliativstation informell angefragt, ob sie mich nach meiner 20-jährigen Berufspause brauchen könne. Es hat geklappt.
Drei Jahre Palliativstation – ist das ständige Abschiednehmen von Patienten emotional nicht extrem belastend?
Ich verstehe, dass dies so erscheint. Aber in Wirklichkeit ist es eine sehr belohnende Arbeit in einer sehr achtsamen Umgebung. Ich arbeite an einem Ort, wo ausreichende Ressourcen für eine gute Pflege vorhanden sind. Ich kann mich zum Bett setzen, wenn mich der Patient bei der Hand nimmt und reden will. Man gibt mir die Zeit zuzuhören. Ich kann auf meiner Station den Beruf so ausüben, wie ich es mir immer vorgestellt habe.
Reden wir von Glück am Arbeitsplatz?
Wir reden von Befriedigung und von dem Umstand, nicht frustriert nach Hause zu gehen. In dem Moment, in dem ein Kollege oder eine Kollegin ihrer Aufgabe nicht gerecht werden können, weil sie allein einer ganzen Station gegenüberstehen und jedem Patienten nur das Nötigste zu geben vermögen, in dem Moment verliert der Beruf seine Besonderheit. Es gibt ein Gefühl, nicht helfen zu können. Wenn es gelingt, den Zustand der ständigen Überforderung zu beenden, ist dies auch das Ende der Pflegekrise. Da bin ich sicher.
Treibt es Sie noch öfter auf den Berg?
Und wie. Ich versuche, so viel Zeit wie möglich in den Bergen zu verbringen. Ich arbeite immer noch als Bergwanderführer und begleite Gruppen bei Alpenüberquerungen.