„Jeder Klinikvorstand ist mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert“

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Autor: Josef Ruhaltinger

Karlheinz Christian Korbel ist Primarius der Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen und Ärztlicher Direktor im Landesklinikum Mauer. Als erster Primar absolviert er gerade die Ausbildung zum Klimamanager. Im Interview spricht er unter anderem darüber, welchen Stellenwert das Thema Nachhaltigkeit in den Kliniken einnimmt.

Herr Korbel, Sie sind Österreichs erster Primar, der im Rahmen eines Programmes der GÖG die Ausbildung zum Klimamanager macht. Wie kamen Sie dazu?
Karlheinz Christian Korbel: Nachhaltigkeit ist mir ein Anliegen. Mich fasziniert die Verbindung Mensch und Natur. Als Kind und Teenager wollte ich immer Meeresbiologe werden. Es interessiert mich bis heute, was passiert, wenn der Meeresspiegel steigt oder die Wassertemperaturen sich verändern. Mit der Meeresbiologie ist es zwar nichts geworden, aber ich habe Medizin studiert. In dem Fach ist die gleiche Frage wichtig: Welche Verbindungen gibt es zwischen Mensch und Natur? Welche Veränderungen fördern Krankheiten? Welches Umfeld brauchen wir, um gesund zu bleiben?

Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin Karlheinz Christian Korbel (61) ist seit 2013 Primarius der Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen und seit 2019 Ärztlicher Direktor im Landesklinikum Mauer. Von 2005 bis 2013 war der gebürtige Wiener Ärztlicher Leiter der Region Mostviertel des Psychosozialen Dienstes der Caritas St. Pölten. Korbel ist designierter Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik sowie Suchtbeauftragter des Landes Niederösterreich.

Sie sind Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin und Ärztlicher Leiter des LKH Mauer. Wo wird der Krankhausmanager Korbel die Kompetenzen des Klimamanagers einsetzen?
Jeder Klinikvorstand ist mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert. Wir müssen entscheiden: Wie organisiere ich die Klimatisierung im Haus, wenn es draußen wochenlang über 30 Grad hat? Wie gestalte ich die Beschattung am Spitalsgelände? Und mit welchen Baumarten? Das sind banale, aber sehr reelle Fragen, die wir bereits heute zu lösen haben. Es braucht keine spezielle Motivation, um sich auf einem höheren Niveau mit Klimafragen auseinanderzusetzen.

Was ist damit gemeint?
Die Beschäftigung mit Nachhaltigkeit hängt nicht davon ab, ob man persönlich am Thema Klimawandel interessiert ist oder nicht. Wer in gestaltender Funktion aktiv ist, kommt an der Aufgabe nicht vorbei, sich mit Klimaschutz zu beschäftigen. Der Klimawandel existiert. Hier und jetzt. Und wir müssen damit zu leben lernen. Als gelernter Österreicher spekuliert man, ob der eigene Bereich wirklich schon betroffen ist oder ob man nicht andere Kolleginnen oder Kollegen in die erste Reihe schubsen sollte. Und natürlich fragt man sich: Woher kommen die Mittel? Dass wir nach einem Extremwetterereignis mehr Geld für den Wiederaufbau ausgeben, als wir für die Prävention gebraucht hätten, das muss man nicht speziell erwähnen. Klimamanager und Klimamanagerinnen werden wir in den Spitälern genauso brauchen wie heute IT-Spezialisten oder Hygiene-Beauftragte.

Warum sind Sie dann trotzdem österreichweit der einzige Primar, der an dieser Weiterbildung teilnimmt?
Die persönliche Motivation bestimmt den Zeitpunkt. Wenn es eine Interessenstangente gibt, dann die, ob man zu den „early movern“ gehört oder nicht. Elektronische Krankengeschichten waren vor vielen Jahren nur ein Thema für medizinische Nerds. Heute betreffen Public-Health-Projekte jeden, der im Gesundheitswesen arbeitet. Qualitätsmanagement in Kliniken oder Ordinationen wurde vor 40 Jahren nur von verschrobenen Theoretikern propagiert. Heute ist QM ein nicht wegzudenkendes Tool des Spitalsmanagements. Die gleiche Entwicklung wird Klimamanagement nehmen.

Lassen Sie uns vom Alltag eines ärztlichen Klinikdirektors reden. Sind Sie in Ihrem Haus der Einzige, der sich um Fragen der Nachhaltigkeit kümmert?
Ich bin vielleicht der Einzige, der sich mit dem Zertifikat des Klimamanagers schmückt. Aber es gibt viele Kolleginnen und Kollegen, die mit Agenden der Nachhaltigkeit betraut sind. Klimaschutz ist ein Querschnittsthema. Entsprechend viele Köpfe braucht es: Abfallentsorgung, Energiemanagement, Kantinenmanagement, Beschaffung, Logistik, und, und und.

Gibt es jemanden im LKH Mauer, bei dem die Agenden des Klimamanagements zusammenlaufen?
Derzeit ist das Klimamanagement bei Qualitäts- und Risikomanagement angesiedelt. Aber ich bin überzeugt, dass es die Position des Klimamanagers oder der Klimamanagerin bald in jeder Gesundheitseinrichtung geben wird. Deren Aufgabe wird es sein, die Sichtweise des Klimaschutzes in jeder Aktivität des Hauses zu wahren. Es geht oft um triviale Dinge wie die Beschaffung des richtigen Toilettenpapiers, die in Summe viele Emissionen einsparen können. Man muss nur konsequent dranbleiben. Und das sollte die Aufgabe des hauseigenen Klimamanagements sein – sie sind die Kümmerer.

Kümmerer?
Es braucht den internen Antreiber und Verbinder, der die Welt eines Krankenhauses aus dem Effeff kennt. Das Problem ist, dass es oft divergierende Interessen gibt, die alle ihre Berechtigung haben. Der Arbeitsmediziner sagt, wir brauchen zehn Duschen, damit jeder Mitarbeiter ordentlich duschen kann. Der Hygieniker sagt, dass weniger Duschen besser sind, damit der höhere Durchfluss die Keimzahlen in den Wasser- und Abflussleitungen niedrig hält. Für all diese Entscheidungen braucht es eine ausgleichende Instanz – und Lösungen, die den Ansprüchen der Nachhaltigkeit, der Hygiene und der Finanzierbarkeit standhalten. Daher müssen Klimamanager auf Führungsebene etabliert werden. Sonst wird das zu einem Feigenblatt-Projekt.

Welchen Stellenwert genießt das Thema Nachhaltigkeit in den Kliniken?
Im Tagesgeschäft geht es unter. Jeder Akteur im Gesundheitsbereich – und zwar auf allen Ebenen von ganz unten bis ganz oben – fühlt sich voll ausgelastet. Da ist selten Platz für Neues. Ich war vor Kurzem mit anderen Direktoren, Managern und Managerinnen auf Studienreise in Schweden. Da haben wir uns auch Umweltprojekte angeschaut. Viele haben das Gesehene als gut und interessant empfunden, aber zu Hause holt einen der Alltag ein und die Wichtigkeit verschiebt sich. Und ich verstehe das.

Was ist zu verstehen?
Wir haben Ärzte- und Pflegerinnenmangel. Wir haben ein eingefrorenes Budget für immer mehr Aufgaben. Die meisten leitenden Kollegen und Kolleginnen wissen buchstäblich nicht, wo ihnen der Kopf steht. Die Aufrechterhaltung des operativen Geschäftes kommt vor der Mehrjahresplanung. Die Haltung ist nachvollziehbar. Aber es muss halt auch Menschen geben, die über die nächste Woche hinausdenken.

Wie wollen Sie Ihre Mitarbeiter für Nachhaltigkeitsprojekte gewinnen?
Es ist Aufgabe einer Klinikleitung, dafür zu sorgen, dass Vorhaben umgesetzt werden. Neue Projekte, die Innovationskraft haben, aber nach Änderungen verlangen, werden nie sofort begrüßt. Es ist sehr wichtig, wie ich Maßnahmen präsentiere und die Umsetzung plane. Der Projekterfolg ist meist eine Frage der Dosierung: Es ist entscheidend, festzusetzen, was zu welchem Zeitpunkt angegangen wird. Dann finde ich auch die Menschen, die positiv zum Projekt stehen. Mit denen fange ich an.

Mehr Subtilität, weniger Durchzug?
Wenn ich über die Jahrzehnte zurückdenke, sehe ich, dass Projekte gescheitert sind, weil wir zu viel zum falschen Zeitpunkt verlangt haben. Aber die Projekte müssen trotz aller Balance ambitioniert bleiben. Wenn man zu wenig Veränderungsdruck ausübt, heißt es, da ist nichts weitergegangen. Wie immer bestimmt die Dosis das Gift.

Weiterlesen:

Titelstory der ÖKZ 3/2024: So wird Ihre Klinik klimafreundlich

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