Ärzte, Techniker und Software-Entwickler aus allen Bereichen der medizinischen Bildgebung sammelten sich Ende das Jahres in Chicago zur globalen Leistungsschau. Der Wandel durch KI beherrschte die meisten Kongress-Gespräche. Deutsche Ingenieure präsentierten eine neue Qualitätsebene der Computertomographie.
Anfang Dezember 2024 versammelte sich in Chicago alles, was in Sachen Radiologie weltweit Rang und Namen hat. Gastgeber war die Radiological Society of North America (RSNA), eine internationale Fachgesellschaft mit Mitgliedern aus der ganzen Welt. Mehr als 300 Vorträge informierten über Gegenwart und Zukunft der Radiologie. Schwerpunkt: Wie Künstliche Intelligenz die Arbeit der Radiologen fördert. Das Herz der Jahrestagung der RSNA war aber die Ausstellung von gezählten 722 Unternehmen. Sie präsentierten die neuesten Fortschritte in der medizinischen Bildgebung in den Bereichen CT, MRT, KI, 3D-Druck und mehr. Prominent dabei: Siemens Healthineers mit „Photon Counting“, der neuesten CT-Technologie. Hier haben die Healthineers derzeit ein Monopol –, aber die anderen Großen der Medizintechnik-Branche sind ihnen auf den Fersen …
Im Jahr 2003 entwickelten einige Ingenieure bei Siemens Medical Solutions eine kühne Vision: Sie wollten eine völlig neuartige CT-Technologie schaffen, die eine erheblich höhere Bildpräzision liefern sollte als selbst die besten Computertomografen jener Zeit. Mehr als zwei Jahrzehnte später ist diese Idee Realität geworden – die innovative Technik ist mittlerweile serienreif und wird weltweit von Siemens Healthineers unter dem Namen „Photon Counting CT“ angeboten. Doch was genau macht diese Technologie so besonders? Bei herkömmlichen Computertomografen durchdringen die Röntgenphotonen den Körper des Patienten und treffen anschließend auf einen Kristall, der sie in sichtbares Licht umwandelt. Dieses Licht wird von einer Fotodiode registriert, die aus mehreren Photonen ein einziges elektrisches Signal generiert. Dabei geht eine entscheidende Information verloren – nämlich der exakte Energiegehalt jedes einzelnen Photons. Das führt zu einer reduzierten Auflösung der Scans.

Spiegelbild.
Siemens Healthineers zeigte am RSNA-Kongress
die gesamte Palette seiner bildgebenden Technologie –
Stichwort „photon-counting“. Genau gegenüber machte der chinesische Konkurrent „United Imaging“ mit einem genauso großen Stand deutlich, dass er sich auf Augenhöhe wähnt.
Doppelte Präzision
Die neuen photonenzählenden CTs umgehen dieses Problem: Sie erfassen jedes einzelne Röntgenphoton direkt, ohne die Umwandlung in sichtbares Licht. Stattdessen wird es unmittelbar in elektrischen Strom und damit in diagnostisch nutzbare Daten umgewandelt. Dieses Verfahren bringt mehrere entscheidende Vorteile mit sich: Die Bildauflösung eines photonenzählenden CTs übertrifft die der vorherigen Computertomografen-Generation um mehr als das Doppelte. Dadurch lassen sich selbst winzige Strukturen deutlich erkennen. Gleichzeitig ist die Scangeschwindigkeit hoch – Patienten müssen bei einer Untersuchung der Lunge nur kurz den Atem anhalten. Auch bei kardialen Scans hat die Bewegung des Herzens einen geringeren Einfluss auf die Bildqualität. Dabei kann die Strahlenbelastung im Vergleich zu herkömmlichen CT-Systemen reduziert werden. Laut Medizinischer Universität Wien profitieren insbesondere Patienten, die wiederholt oder regelmäßig CT-Kontrollen benötigen – die Strahlendosis könne um bis zu 45 Prozent gesenkt werden. Das elektronisches Rauschen lässt sich weitgehend eliminieren, was zu einer verbesserten Bildqualität führt. Und die multispektrale Bildgebung ist ohne zusätzliche Aufnahmen möglich. Dies erleichtert die Unterscheidung verschiedener Gewebetypen innerhalb des untersuchten Organs. Adipöse Patienten können mit höherer Bildqualität untersucht werden.
Das bringt Photon Counting in der Praxis
Die neueste Generation von CT-Scannern findet zunehmend ihren Platz auf dem Markt. Aber bereits im Jahr 2021 erhielt die Medizinische Universität Wien von Siemens Healthineers ein Vorserienmodell des photonenzählenden NAEOTOM Alpha Scanners. In einem Vortrag erzählten die verantwortlichen Radiologen Helmut Prosch und Dietmar Tamandl von ihren Erfahrungen: „Es ist ein bisschen wie bei einem Fernseher. Mit kleineren Pixeln hast du einfach eine bessere Auflösung. Und das alles mit einer um zwei Drittel reduzierten Strahlendosis verglichen mit herkömmlichen CT-Scannern.“ Das erleichtere Klinikern die Diagnose und unterstütze die Chirurgen bei der Vorbereitung eines Eingriffs.
Ganz allgemein hält die Medizin Universität Wien fest: „Die hohe Präzision und die gewonnene Spektralinformation des neuen Geräts sind im Bereich der Onkologie von großem Nutzen, wo eine zuverlässige und konsistente Bewertung des Krankheitsverlaufs entscheidend ist. Es werden nicht nur alle bisher verfügbaren Informationen aus den CT-Untersuchungen ermittelt, sondern auch weitere Einblicke in die Tumorbiologie und das Ansprechen auf Therapien ermöglicht.“ In einem einzigen Datensatz sei sehr viel Information enthalten. Dieser Vorteil ermögliche zum Beispiel im Bereich der Pulmologie einen früheren Start der Behandlung unter Vermeidung schwerwiegender Folgen einer längeren Zeitspanne zwischen Diagnose und Therapie. Die mit Photon-Counting-CTs gewonnenen Daten enthalten mehr Informationen für eine präzise Diagnose, für Therapie und Nachsorge. Das sei ein Novum. In Österreich sind derzeit sechs photonenzählende CTs im Einsatz, die Hälfte von ihnen in den Spitälern AKH Wien, Klinik Oberwart, KIinikum Wels-Grieskirchen. Drei Geräte sind in zwei Diagnosezentren in Graz im Einsatz. Eines diese Zentren, das „Diagnostikum Graz“, wird von Dieter Szolar geleitet. Laut Szolar zeigen die Erfahrungen, dass die quantenzählende Computertomographie besonders geeignet ist zur Darstellung von Gefäßen – Hirngefäßen und Herzkranzgefäßen – und zur Darstellung von Strukturen und Organen, bei denen die höchstmögliche Bildauflösung gewünscht ist: Innen- und Mittelohr, Lunge und Knochen.

Schärfer, schneller, schonender.
Der Autor lässt sich gemeinsam mit SH Österreich-Chef Joachim Bogner (r.) einen neuen PET/MR-Scanner erklären.
Konkurrenz zieht nach
Siemens Healthineers brachte 2021 als erster Anbieter einen Computertomographen mit photonenzählendem Detektor auf den Markt. Doch die Konkurrenz zieht nach: General Electric Healthcare, Philips und Canon stehen kurz vor der Markteinführung eigener Systeme. Laut Unternehmensangaben hat Siemens Healthineers weltweit bereits rund 180 Photon-Counting-CTs verkauft. Die Messe in Chicago unterstrich, dass die neue Technologie nach und nach alle Gebiete der Radiologie erobern wird. Gleich neben dem riesigen Stand von Siemens Healthineers auf der Radiologie-Messe stellte das chinesische Medizintechnik-Unternehmen „United Imaging Healthcare“ seine Produkte aus – und zwar in ähnlich großer Präsenz. Siemens-Healthineers musste zusehen, wie etliche ihrer Ingenieure zum chinesischen Konkurrenten überliefen. Der Vorwurf der „Nachbauten“ war am deutschen Nachbarstand nicht zu überhören. UIH bietet bereits eine umfassende Palette von Produkten an: MRT, CT, Röntgensysteme, molekulare Bildgebungssysteme und medizinische Linearbeschleuniger.
Die Einsatzgebiete von Photon Counting
Siemens Healthineers empfiehlt die Verwendung der neuen CT-Technologie vor allem in drei Bereichen:
Kardiovaskuläre CT: Dank der spektralen Bildgebung lassen sich feinste Details kleinster Strukturen besser erkennen. Patienten mit ausgeprägten Verkalkungen oder Stents profitieren besonders von der Photon-Counting-CT, da das Gewebe mit hoher Präzision differenziert dargestellt werden kann. So ist es möglich, Verkalkungen klar von Metall-Stents zu unterscheiden.
Onkologische CT: Die spektrale Bildgebung im Niedrigdosisbereich – insbesondere zur Untersuchung von Weichteilen – erleichtert die Überwachung von Tumorverläufen und Metastasen. Dadurch kann die Patientenversorgung optimiert werden.
Neurologische CT: Mit der neuen Technologie lassen sich selbst die kleinsten zerebralen Blutgefäße zuverlässig beurteilen. Der verbesserte Bildkontrast und die höhere räumliche Auflösung tragen dazu bei, anatomische Feinheiten präziser darzustellen und so die diagnostische Sicherheit zu erhöhen.
Anmerkung der Redaktion: Der Besuch des RSNA-Kongresses durch Autoren der ÖKZ erfolgte auf Einladung und mit Unterstützung von Siemens Healthineers.