Die neun öffentlichen Krankenanstaltenträger Österreichs haben sich auf bundeseinheitliche ethische, soziale und ökologische Beschaffungsstandards geeinigt. Der neue Verhaltenskodex soll Klarheit für Lieferantinnen und Lieferanten bringen und die Basis für das kommende Lieferkettengesetz schaffen.
Noch vor wenigen Jahren galt im Einkauf ein eher schlichtes Kalkül: Wer den besten Preis bot, bekam den Zuschlag. Qualität spielte eine Rolle, Lieferfähigkeit war wünschenswert. Über Kriterien wie CO2-Bilanz, Arbeitsstandards oder Umweltverantwortung wurde geredet. Aber über den Zuschlag entschied letztendlich der Preis. Das ändert sich nun schrittweise. Klinikbetreiber erkennen, dass nachhaltige Beschaffung nicht nur dem guten Gewissen dient, sondern strategische Vorteile bringt. Und auch politische Rahmenbedingungen wie die europäischen Regulierungen zu Nachhaltigkeit und das EU-Lieferkettengesetz zwingen Spitäler dazu, über die reinen Kosten hinauszudenken. Das Problem: Die Beschaffungsverantwortlichen jedes einzelnen – ländergeführten – Klinikverbundes formulierten bislang eigene Verhaltensregeln für ihre Lieferanten. Dabei stellte sich heraus, dass die eine Landesgesellschaft sich mehr mit der Thematik der Nachhaltigkeit beschäftigte, andere lieber auf den gesetzlichen Zwang aus Wien und Brüssel warteten. Die spät erkannten Konsequenzen: Die Einkaufsmacht der Landeskliniken nahm ab, die Lieferanten mussten sich mit sehr unterschiedlichen Lieferbedingungen herumschlagen, was die Angebotspalette mitunter deutlich schmälert.
Mit der Einführung eines bundesweit einheitlichen Verhaltenskodex für Lieferanten setzen die öffentlichen Krankenanstaltenträger ein starkes Signal: Wer künftig an Spitäler liefern will, muss mehr bieten als ein günstiges Angebot. Er muss sich an den gemeinsam formulierten „Verhaltenskodex für Geschäftspartner:innen / Netzwerk österreichischer Spitalsmanager:innen“ halten. Vorgaben zu Nachhaltigkeit, Ethik und Sorgfalt werden zu festgeschriebenen Voraussetzungen für Lieferbeziehungen – und zu einem festen Bestandteil der Einkaufspolitik der heimischen Landeskliniken.

Gemeinsame Stimme.
Die neun Klinikverbände stellen ab sofort ihre Lieferantenbeziehungen auf die Basis eines „Verhaltenskodex“. Wer unter den Geschäftspartnern nicht mitzieht, kann seine Verträge mit den Kliniken verlieren.
Bürokratische Entlastung
Der Verhaltenskodex oder „Code of Conduct“, wie das Papier in standesgemäßem Business-Deutsch unter den Einkaufsmanagern genannt wird, ist ein Meilenstein für das Beschaffungswesen in Österreichs Spitälern: Erstmals haben sich neun öffentliche Klinikverbünde auf ein gemeinsames Dokument geeinigt, das definieren soll, woran sich ihre Lieferanten zu halten haben. Der neue Verhaltenskodex umfasst soziale Mindeststandards, Umweltauflagen und ethische Prinzipien – und wird künftig verpflichtender Bestandteil aller Ausschreibungen. „Der Kodex ist inhaltlich breit aufgestellt und antizipiert viele Anforderungen, die sowohl mit der CSRD-Berichterstattung als auch mit dem EU-Lieferkettengesetz auf uns zukommen werden“, sagt Stephan Kostner, Zentraleinkaufsleiter der Tirol Kliniken. An der Verbindlichkeit des Kodex soll kein Zweifel aufkommen: „Die Spitalsträger behalten sich vor, bei Verstößen geeignete Maßnahmen zu ergreifen bis hin zur Beendigung der Geschäftsbeziehung“, heißt es im Übereinkommen. Erarbeitet wurde das Papier in Tirol, überarbeitet und abgestimmt mit allen Bundesländern und an den Großteil der Lieferanten versandt. Laut Kostner wird der Kodex laufend in alle Lieferantenkontakte eingearbeitet und auch in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen übernommen werden.
Die Einigung der Landesklinikverbünde sei nicht zuletzt ein Beitrag zur Entbürokratisierung, betont Kostner: „Wir ersparen uns und den Lieferanten unnötige Mehrfachabfragen. Statt neun verschiedener Verhaltenskodexe gibt es in Zukunft einen gemeinsamen.“ Die ersten Rückmeldungen aus der Lieferindustrie und der Branchenvertretung der Austromed seien positiv gewesen, heißt es bei den Tirol Kliniken. In der Praxis soll dies vor allem jene Firmen entlasten, die mit mehreren Spitalsträgern gleichzeitig zusammenarbeiten. „Bisher mussten sich Lieferanten mit unterschiedlichen Formularen, Anforderungen und Systemen herumschlagen. Jetzt gibt es eine einheitliche Linie“, so Kostner.
Dass es dringend einheitliche Vorgaben braucht, zeigt sich nicht nur angesichts des kommenden Lieferkettengesetzes, sondern auch am Alltag vieler Spitalsmanager. In Deutschland, wo das Gesetz bereits gilt, wurden Lieferanten mit teils widersprüchlichen Anforderungen überfrachtet. „Einige mussten 2.000 unterschiedliche Verhaltenskodexe bearbeiten“, berichtet Kostner.
Genau das wolle man in Österreich vermeiden. Hier sollen alle Lieferanten auf Basis eines standardisierten Dokuments kontaktiert werden. Künftig müssen Einkaufsmanager dokumentieren, wie sie ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen – was nach entsprechenden Kontrollmechanismen verlangt.

Über neun Brücken
sollst du gehen.
Der Leiter des Zentraleinkaufes der Tirol Kliniken, Stephan Kostner, brachte die Kollegen aus den Bundesländern an einen gemeinsamen Tisch.
Digitale Monitoringsysteme sollen die Prozesse unterstützen und die Umsetzung der Kodex-Anforderungen transparent machen. Lieferanten können in solchen KI-gestützten Systemen nicht nur ihre Unterlagen und Zertifikate hochladen, sondern auch laufend aktualisieren. Bei Unklarheiten oder Verstoßmeldungen wird ein Warnsystem greifen. „Wir können nicht jeden Standort weltweit persönlich kontrollieren, aber mithilfe digitaler Tools wird man Auffälligkeiten erkennen“, so Kostner. Das schließe auch ein Hinweisgebersystem mit ein, über das Missstände anonym gemeldet werden können.
Auch das Zusammenspiel mit externen Bewertungsplattformen wird diskutiert. Die Komplexität soll vereinfacht und ein System aufgebaut werden, das sowohl für die Spitalsträger als auch für die Lieferanten einfach handhabbar ist. „Wir wollen vermeiden, dass jeder Einkauf für sich beginnt, neue Kriterien zu formulieren“, betont Kostner. In einem nächsten Schritt könnte auch die Integration in EU-weite Datenbanken für nachhaltige Beschaffung folgen.
Value Based Procurement und neue Denkweise
Die neue Initiative ist Zeichen eines Wandels im Beschaffungswesen. Das Konzept des „Value Based Procurement“ steckt in Österreich noch in den Anfängen. Zwar wird Nachhaltigkeit in Ausschreibungen zunehmend mitgedacht, doch noch immer dominiert der Preis als Zuschlagskriterium. Kostner kennt diese Realität: „Natürlich müssen wir wirtschaftlich einkaufen. Aber es kann nicht sein, dass Lieferkettenprobleme ignoriert werden, nur weil ein Produkt zehn Cent billiger ist.“ Die Einkäufer wissen, dass der Kodex auch an seine Grenzen kommt: „Es gibt Situationen, in denen wir auf einen Anbieter angewiesen sind, weil es keinen Ersatz gibt“, so Kostner. Man wolle aber dennoch genau hinschauen und notfalls nachbessern. Der neue Kodex soll kein starres Kontrollinstrument sein, sondern ein Lernsystem. „Wir wollen eine gemeinsame Kultur im Umgang mit Verantwortung etablieren. Die Lieferkette beginnt nicht im Lager, sondern bei der Haltung.“
Was im Verhaltenskodex steht
Der neue Verhaltenskodex für Geschäftspartner:innen der öffentlichen Spitalsträger legt verbindliche Mindeststandards für deren Lieferanten fest. Er umfasst Verpflichtungen in drei Bereichen: soziale Verantwortung, ökologische Nachhaltigkeit und ethisches Verhalten. Lieferanten müssen etwa faire Arbeitsbedingungen, Vereinigungsfreiheit, den Ausschluss von Kinder- und Zwangsarbeit sowie Gleichbehandlung garantieren. Sie sollen Ressourcenverbrauch minimieren, Umweltauflagen einhalten und verantwortungsvoll mit Abfall umgehen. Ethische Vorgaben betreffen Korruptionsvermeidung, Datenschutz und Produktqualität. Der Kodex stützt sich auf nationale und internationale Standards, etwa die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Verstöße können bis zum Ausschluss von Geschäftsbeziehungen führen. Der Kodex wird verpflichtender Bestandteil der AGBs aller neun Spitalsträger und ist ab sofort in Kraft.
