Führung als Profession: Sprache

Lesedauer beträgt 3 Minuten
Autor: Heinz K. Stahl

Warum ist die Managementsprache besonders ambig? Das erfahren Sie im siebten Teil der Essayreihe von Heinz K. Stahl zum Thema „Führung als Profession“.

Führung verfügt über ein durch nichts zu ersetzendes Werkzeug: die Sprache. Das Verhältnis zwischen den beiden ist voller Fallstricke, aber auch Chancen. Ich möchte dies anhand dreier Themen skizzieren: die Ambiguierung von Sprache, die Verwendung von Metaphern und Geschichten sowie die Technik des Framing.

Die Managementsprache ist besonders ambig (lat. ambiguus = doppeldeutig). Warum eigentlich? Durch Ambiguieren kann eine Mitteilung unterschiedlich ausgelegt werden und niemand muss dafür die Verantwortung übernehmen. Eine vage Sprache dient so als Sicherheitsnetz. Außerdem kann man damit seine Überlegenheit demonstrieren: Wer in der Hierarchieleiter oben steht, kann es sich eben leisten, vage zu sein; wer unten platziert ist, muss hingegen immer Farbe bekennen. Hier sind Relativierungen wie „vermutlich“ oder „vielleicht“, Modalverben wie „könnte“ oder „dürfte“ und Unbestimmtheiten wie „zeitnah“ oder „irgendwie“ verpönt.

Eine Ambiguierung der Sprache hilft auch, dem Makel des Nichtwissens zu entkommen und sich immer mehrere Handlungsoptionen offen zu halten. Dies kann durchaus nützlich sein, wenn in einer unüberschaubaren Lage Improvisieren angebracht oder ein Durchwursteln der einzige Ausweg ist. Es gibt Situationen, in denen grobe numerische Ausdrücke überzeugender wirken als präzise Zahlen: So erzeugt die Zahl 500 mehr Eindruck als etwa 517. Und noch etwas Nützliches: In Kulturen („high-context cultures“), in denen sprachliche Mitteilungen eher implizit, also „durch die Blume“ erfolgen ist Ambiguieren ein Muss und Direktheit ein Affront.

Metaphern sind bildhafte Ausdrücke, die eine Brücke zwischen einer Erfahrung X und einem neuen Kontext Y bilden. Hinreichend konkret, lösen sie im Adressaten innere Bilder aus, die im Vergleich zu normalen sprachlichen Mitteln zünden können. „Unsere Chefin ist eine Biene“ statt „Unsere Chefin ist sozial, fleißig, sparsam, manchmal etwas unstet, wehrhaft…“ oder „Die Umsätze rasseln in den Keller“ statt „Die Umsätze sinken plötzlich, überaus schnell, unaufhaltsam, bedrohlich…“.

Führung kann Metaphern aus verschiedenen Quellen schöpfen. Das Bauwesen kommt etwa mit „Brücken spannen“, „Mauern einzureißen“ oder „sich als tragenden Säule erweisen“ infrage. Die Biologie liefert Assoziationen mit Wachstum, Zellteilung, Symbiose oder Überlebensfähigkeit. Militär-Metaphern, in der US-amerikanischen Managementszene gang und gäbe, haben bei uns keinen Platz. Der Sport ist dafür ein vollwertiger Ersatz, es sei denn, man erliegt der Versuchung, abgedroschene Metaphern nachzuäffen. So geschehen z.B. während der Fußball-WM 2006, als die Managementsprache infiziert war mit „den Ball aufnehmen“, „in der obersten Liga spielen“, „die rote Karte zeigen“ und so fort.

Wir Menschen lieben Geschichten. Sie bilden ein lebendiges, gleichsam „bewohntes Gedächtnis“ (Aleida Assmann), weil sie Werte vermitteln, die von vielen Menschen geteilt werden können. Erfolgreiche Führungskräfte verstehen es, schwierige Sachverhalte in eine Geschichte zu verpacken. Dieses „Storytelling“ funktioniert auch in umgekehrter Richtung. Wer führt, sollte seine Mitarbeiter immer wieder nach Erlebnissen in ihrer Arbeit fragen. Nicht nach Meinungen, die taktisch gefärbt sein können, sondern nach Erfahrungen in Form kurzer Geschichten. Manche Organisationen richten dafür sogar eigene „Erzähl-Workshops“ ein.

Noch eine Stufe weiter geht das Framing. „Frames“ sind Deutungsrahmen, die den Menschen im Unternehmen subtile Hinweise geben, wie sie Leerstellen in einer Botschaft auffüllen und ergänzen können. Sind bestimmte „Frames“ durch die Sprache einer exponierten Führungskraft einmal aktiviert, so leiten diese unbewusst das Denken und Handeln aller anderen. Umso wichtiger ist es, dass Führungskräfte eine Sprache wählen, die ihre Weltsicht anschaulich und widerspruchsfrei beschreibt. Ein falsch gewähltes Bild – z.B. „Unser Unternehmen ist ein Bollwerk“, wenn von der Belegschaft „Agilität“ und Aufbruch verlangt wird – und schon bröckelt der Frame.

Deshalb ein Appell: Vergesst mir die die Kraft der Sprache nicht und ladet doch hin und wieder Erzähler, Germanisten oder Linguisten zu euch ein (so sie denn mit Begriffen wie „Humankapital“ nicht auf Kriegsfuß stehen).

Prolog zum Thema „Führung als Profession“ von Heinz K. Stahl

„Wer führen will, muss in erster Linie fachlich kompetent sein.“ Dieses Credo unseres Kulturkreises hat seinen Ursprung in den Handwerkszünften des Mittelalters. Wer es vom Lehrling über den Gesellen zum Meister gebracht hatte, genoss gesellschaftliches Ansehen. Hohes fachliches Können war eine wichtige Voraussetzung, um in den späteren Manufakturen die Führung im Sinne des „Vorangehens“ und „Bestimmens“ zu übernehmen. Diesem Vorrang konnte auch die Erfindung der Bürokratie und des Managements zu Beginn des 20. Jahrhunderts wenig anhaben.

Heute stehen wir vor der Situation, dass „Führung“ immer noch ein eine Art Nachgedanke ist. Der beste Verkäufer wird Verkaufsleiter, der geübteste Techniker Betriebsleiter, der kenntnisreichste Zahlenjongleur Leiter des Controllings. Parallelen im Gesundheitswesen müssen nicht eigens erwähnt werden. Was sie für Führung brauchen, werden sich die Auserwählten schon irgendwie zulegen. Konfrontiert mit den Umbrüchen in der heutigen Arbeitswelt, etwa die ungebremste Pluralisierung der Wertvorstellungen und Motive, sollen sich Führungskräfte plötzlich mit dem Menschen als Subjekt und nicht als Objekt auseinandersetzen. Psychologie, Soziologie und Philosophie drängen sich auf. Überforderung macht sich breit.

Gibt es eine Leitidee, um Führung unter diesen Umständen eine Kontur zu verleihen? Ja, sie lautet „Führung als Profession“. Profession ist der Gegenpol zum Nebenbei, ist mehr als der „Job“, ist ein Bekenntnis zu Könnerschaft und Verantwortung. Dieses Buches möchte die geschätzte Leserschaft dazu anregen, diese Idee in ihrem eigenen beruflichen Kontext zu unterstützen.

Führung als Profession von H.K. Stahl, Schriftenreihe zum Österreichischen Gesundheitswirtschaftskongress, Band 1, Springer Verlag-GmbH, Wien, 2022

Der Essay zum Thema Sinn erschien in Kapitel 1 „Grundlegendes“.

Heinz K. Stahl, ao. Univ.-Prof., Dr. rer. soc. oec.,
Chemieingenieur; 24 Jahre Managementpositionen im Unilever-Konzern in Österreich, Großbritannien, Australien, den Niederlanden und Deutschland. 26 Jahre als Verhaltenswissenschaftler in Lehre und Forschung; Research Associate, Interdisziplinäres Institut für Verhaltenswissenschaftlich orientiertes Management, Wirtschaftsuniversität Wien; Wissenschaftlicher Leiter Executive-Education-Programme, Management Center Innsbruck; Wissenschaftlicher Partner, Lehrstuhl Wirtschafts- und Betriebswissenschaften, Montanuniversität Leoben; Forschungspartner Department Gesundheit, Fachhochschule Burgenland; zahlreiche Publikationen, Autor und Herausgeber, u. a. der Reihe „Fokus Management und Führung“, ESV Verlag Berlin. Forschungspartner des Zentrums für systemische Forschung und Beratung, Heidelberg.
info@hks-research.at
www.hks-research.at

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Forscher entwickelten neuen Ansatz gegen Metastasen-Bildung

Forscher entwickelten neuen Ansatz gegen Metastasen-Bildung

Aus früheren Studien ist bekannt, dass wandernde Krebszellen sich im neuen Gewebe erst einfinden müssen. Denn die Umgebung dort, also etwa Signalstoffe, Nährstoff- und Sauerstoffangebot, ist anders als am Ort des Ursprungstumors.

Bayer sieht Frauengesundheit nicht mehr als Forschungsschwerpunkt

Bayer sieht Frauengesundheit nicht mehr als Forschungsschwerpunkt

Hormonspiralen und Antibabypillen werden nach wie vor zu den umsatzstärksten Präparaten des Unternehmens zählen. Allerdings erwartet man in diesem Bereich keine Innovationen mehr.