Symptome von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind oft unspezifisch und unscheinbar – unbehandelt gehen sie sukzessive mit eingeschränkter körperlicher Leistungsfähigkeit einher und können schließlich tödlich enden. Einen Weg, der mithilfe von Physik, Elektrotechnik, Biomechanik und Machine-Learning das Erkennen solcher kardiovaskulärer Krankheiten unterstützt, wurde an der TU Graz gefunden – und gleich ein eigenes Start-up gegründet, teilte die TU Graz am Dienstag mit.
Ein plötzlich auftretender Schmerz im Brustraum ist ein häufiges Symptom. Dabei kann die Ursache relativ harmlos sein, zum Beispiel Wirbelsäulen- oder Magenschmerzen – leider aber auch manchmal lebensbedrohlich, etwa bei einer Aortendissektion, die mit einer hohen Sterblichkeitsrate einhergeht. Hierbei kommt es in der größten Schlagader (Aorta) durch Alterungsprozesse, Arteriosklerose oder abnehmender Elastizität des Gefäßes zu einer Ablösung einer Schichte der inneren Gefäßwand.
Dadurch bildet sich ein Hohlraum in der Aorta. Dieser Hohlraum kann mehrere Zentimeter dick und bis zu 30 Zentimeter lang werden. Das kann bis hin zum lebensgefährlichen Platzen des Gefäßes führen, auch Durchblutungsstörungen oder Versagen wichtiger Organe wie die Niere, Herzinfarkt, Schlaganfall und Herzinsuffizienz zählen zu den schwerwiegenden Komplikationen.
An der TU Graz versuchen Bio- und Strömungsmechaniker, Mathematiker, Informatiker, oder Experten der Elektronik und der Biomedizinischen Technik seit Jahren die Ursachen, Entstehung und die verschiedenen Stadien einer Aortendissektion (AD) zu entschlüsseln. Zugleich wird die Weiterentwicklung der Computersimulation der AD vorangetrieben, um das Risiko des lebensbedrohlichen Platzens der Ausweitung vorhersagen zu können.
So hat ein Team bereits ein Modell entwickelt, das die Struktur und den Aufbau der geschädigten Aortenwand ebenso simuliert wie das Strömungsverhalten des Blutes und die Entstehung und das Wachstum von möglichen Thromben. Berechnungen an der TU Graz zeigten beispielsweise, dass die Blutströmung einen Einfluss auf von außen induzierte elektrische Felder hat.
Sascha Ranftl vom Institut für Theoretische Physik/Computional Physics und Vahid Badeli (Elektrotechnik) haben daraus einen Weg gefunden, die Früherkennung von Aortenerkrankungen zu verbessern und zu beschleunigen. Dabei kommt nun zum Tragen, dass biologische Gewebe wie auch Blut Strom je nach Art und Zustand unterschiedlich leiten. Aus den Daten zur Änderung der angelegten elektrischen Felder und der Mechanik der Aorta werden Rückschlüsse gezogen: „Das Grundprinzip ist: Jegliche Erkrankung, welche die kardiovaskuläre Mechanik verändert, wird auch das extern angelegte elektrische Feld auf eine bestimmte Art verändern. Das gilt für Arteriosklerose, Aortendissektion, Aneurysmen, Herzklappenfehler und so weiter“, erklärte Ranftl.
KI bündelt Parameter
Dazu werden etwa hochfrequente schwache Ströme durch den Körper geschickt, die man nicht spürt. Hierfür wurde ein Machine-Learning-Modell entwickelt, dass die Daten analysiert. So ließen sich Erkrankungen in elektrischen Signalen erkennen, die bisher im EKG nicht oder nur über mit aufwändige Verfahren wie CT und MRT erkennbar waren. Laut den Grazer Gründern mache erst Machine-Learning überhaupt möglich, anhand der zahlreichen Parameter, die im kardiovaskulären System eine Rolle spielen, und den vielen Simulationen, die für ein statistisch signifikantes Ergebnis notwendig sind, Ergebnisse mit über 90-prozentiger Genauigkeit zu erhalten.
Im TU Graz Spin-off „arterioscope“ wollen Ranftl und Badeli diese Technologie nun gemeinsam mit Partnern aus dem Gesundheitswesen weiterentwickeln. Man will die Genauigkeit der Algorithmen verbessern und für die klinische Anwendung adaptieren. Wenn die neue Lösung künftig als Medizinprodukt zugelassen und in EKG- und Bioimpedanz-Geräte implementiert werde, könnten Kliniker bei der Diagnose, Behandlung und Betreuung von AD-Patienten unterstützt werden, so die Vision der Jungunternehmer.
(APA/red.)