KI als Unterstützung in der Krankenhaushygiene

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Autor: Ulrike Niedermüller, Milo Halabi

Im Bereich der Hygiene spielen digitale Tools in den Spitälern eine zunehmend wichtige Rolle. Am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried wurde mit HAIDI ein modernes System implementiert, das die Hygieneprozesse grundlegend verändert.

Wir alle kennen die Herausforderungen: Nosokomiale Infektionen müssen effizient nachverfolgt und dokumentiert werden. Bisher war es ein Glücksfall, wenn ein Hinweis auf eine potenzielle Infektion durch eine aufmerksame Pflegeperson oder Ärztin bzw. Arzt beim Hygieneteam einging. Mit den gesetzlichen Vorgaben der Bundesländer zur Erfassung von Krankenhausinfektionen begann ein Umdenken. Die systematische Dokumentation von „Indikatorinfektionen“ wurde als wesentliches Element der Qualitätssicherung erkannt.

KI-gestützte Infektionssuche. HAIDI durchforstet sämtliche digital verfügbaren Klinikdaten und untersucht sie auf Infektionen mit Krankenhauskeimen. Die potenziellen Fälle werden täglich auf den Bildschirm gebracht und von Hygieneexperten bewertet. Erst dann zählt ein Fall als nosokomiale Infektion für die Statistik.

Zum Glück tauchten Systeme wie KISS (Krankenhaus Infektions Surveillance System) und ANISS (Austrian Nosocomial Infection Surveillance System) auf, die helfen, Infektionen nach definierten Kriterien zu erfassen und zu melden. Das war ein wichtiger Schritt für das Benchmarking im deutschsprachigen Raum. Dieses Benchmarking ist essenziell geworden, da Krankenhäuser zunehmend Teil großer Franchise-Ketten sind. Es kann den Patientinnen und Patienten ermöglichen, fundierte Entscheidungen zu treffen. Denn wer möchte in ein Krankenhaus gehen, das eine hohe Rate an nosokomialen Infektionen aufweist? Oder wer glaubt, dass es Einrichtungen gibt, die keine Infektionen haben? Für Letzteres gibt es nur eine Erklärung: Sie erfassen sie ganz einfach nicht.

Von Teilaspekten zum Gesamtüberblick

Obwohl die Beteiligung an KISS und ANISS fleißig betrieben wird, sind diese Erfassungen oft bruchstückhaft und decken nur wesentliche Indikationen ab. Aber nicht alle. Das Hygieneteam des Rieder Krankenhauses machte sich deshalb auf die Suche nach geeigneteren Lösungen und fand diese in einer speziellen, KI-basierten Softwareanwendung.

Das tschechische Start-Up Datlowe entwickelte die Applikation HAIDI mit dem Ziel, eine permanente Erfassung von nosokomialen Infektionen zu ermöglichen. Dies geschieht auf Basis von Algorithmen, die sämtliche digital verfügbaren Daten einer Einrichtung analysieren und gemäß anerkannten internationalen Kriterien den Verdacht auf das Vorliegen einer nosokomialen Infektion erkennt. Diese potenziellen Fälle werden täglich auf den Bildschirm gebracht und müssen von Hygieneexperten bewertet und „freigegeben“ werden. Erst dann zählt ein Fall als nosokomiale Infektion für die Statistik.

Diese Statistik ist täglich aktuell und kann für diverse Abteilungen und Zeiträume beliebig ausgewertet werden. Diese umfassende Erhebung, für die das Hygieneteam im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Ried im Innkreis in Oberösterreich etwa 15 bis 30 Minuten benötigt, ist ein erheblicher Fortschritt, da die Erfassung von Krankenhausinfektionen vorher oft nur stichprobenartig und unsystematisch erfolgte.

2019 begannen wir im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Ried mit der Implementierung dieser Applikation, unterstützt vom Krankenhausmanagement und dem Innovationsmanagement der Vinzenz Gruppe. Nach den Herausforderungen einer Pandemie und typischen IT-Problemen wie Schnittstellenfragen funktioniert die Anwendung seit Juli 2022 reibungslos. Derzeit werden vom System etwa dreimal mehr Patient*innen als Verdachtsfälle an das Hygieneteam gemeldet, als tatsächlich Infektionen vorliegen, wobei auch Voraufenthalte in die Analyse einbezogen werden. Die differenzierte Datenverknüpfung zeigt die Komplexität der Zusammenhänge beeindruckend auf.

Vergleichende Überprüfungen mit KISS-Daten und der Europäischen Punktprävalenzerhebung zeigten, dass die parallele Erhebung eine hundertprozentige Übereinstimmung mit den KISS-Daten aufwies. Im Vergleich zur Punktprävalenzerhebung liegt die Erfassung bei etwa der Hälfte der Infektionsrate. Aktuell liegt die Rate an nosokomialen Infektionen im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried bei 0,9% für den Zeitraum Jänner bis Dezember 2023. Die Infektionen betreffen Harnwege, Wunden und Gefäßkatheter. Wir durften auch zur Weiterentwicklung des digitalen Tools beitragen, sodass es demnächst einen halbautomatischen Upload in KISS geben wird, was den Schreibaufwand für das Hygieneteam erheblich reduziert. Zudem haben wir eine Funktion implementiert, die zeigt, um wie viele Tage Patient*innen mit nosokomialen Infektionen länger im Krankenhaus bleiben als solche ohne Infektionen. Bisher gab es dazu wenig gute Literatur; unsere Daten belegen, dass diese Verlängerung der Aufenthaltsdauer tatsächlich in erheblichem Maße existiert.

OÄ Dr. Ulrike Niedermüller ist Fachärztin für Neurologie und Hygienebeauftragte Ärztin im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried. 2003 kam die gebürtige Oberösterreicherin nach Ried und half beim Aufbau der neuen Abteilung Neurologie im Schwerpunktkrankenhaus. Seit 2020 ist sie Teil des Krankenhaushygieneteams, dessen Leitung sie 2022 übernommen hat.

Prim. Dr. Milo Halabi ist Facharzt für klinische Pathologie und Molekularpathologie und leitet das Institut für klinische Pathologie, Mikrobiologie und molekulare Diagnostik am Standort der Barmherzigen Schwestern in Ried/Innkreis. Das Institut ist eine Einrichtung der Vinzenz Pathologie­verbund GmbH.

Mehr als fünffach längere Aufenthaltsdauer

Im Jahr 2023 wurden im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried knapp 30.000 Patient*innen stationär aufgenommen, mit einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von vier Tagen. Patient*innen mit nosokomialen Infektionen blieben im Durchschnitt jedoch 22,6 Tage. Neben dem persönlichen Leid bei den Betroffenen verursachen nosokomiale Infektionen auch erhebliche Zusatzkosten durch Medikamente (z.B. Antibiotika), Operationen, Untersuchungen und Mehraufwand in der Patientenbetreuung sowie durch die Belegung von Betten, die anderweitig benötigt würden. Auch volkswirtschaftliche Folgen wie längere Krankenstände und Rehabilitationsmaßnahmen sind nicht zu vernachlässigen. Eine tiefgreifende gesundheitsökonomische Analyse wäre hier sicherlich sinnvoll, um die tatsächlichen Kosten von nosokomialen Infektionen zu bewerten.

Allein um diese verlängerten Aufenthalte zu reduzieren, lohnt es sich, die Hygiene auf den Stationen und in den OPs noch strenger einzuhalten. Immerhin sind 50% der Infektionen exogen bedingt und könnten durch Prävention vermieden werden. Ein Hoch auf die Hygiene, auch in Post-Pandemie-Zeiten! Ein rasches Erkennen der Häufung von nosokomialen Infektionen durch das System ermöglicht es, entsprechende Maßnahmen wie Information und Schulung des Personals in die Wege schnell einzuleiten. 

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