Ehrenamtliche Patient:innenbetreuung soll mehr zwischenmenschliche Zuwendung in einem zunehmend optimierten Klinikalltag bringen. Dies ist ein Schritt zur verbesserten Umsetzung des bio-psychosozialen Gesundheitsparadigmas.
Österreichs Kliniken bieten gesundheitsberufliche Patient:innenversorgung auf Höchstniveau. Zugleich gibt es seit Jahren Kritik betreffend Personalmangel und damit einhergehend zu wenig Zeit für Patientinnen, insbesondere für den psychosozialen Aspekt als Faktor in der Patient:innenversorgung. Ehrenamtliche Patientinnenbetreuung eaP kann hier mit einem patient:innenzentrierten Angebotsportfolio von alltagsnahen Gesprächen, kleinen Einkäufen, einfachen Assistenzleistungen und Handreichungen einen Beitrag leisten; aktuell wird davon in wenigen Krankenhäusern Gebrauch gemacht, wenngleich jüngst vermehrte Bemühungen um deren Implementierung merkbar sind. In Deutschland und im angelsächsischen Raum ist eaP breiter ausgerollt, gleichwohl ist die internationale Forschungslage dünn und legt den Schwerpunkt auf einerseits geriatrische, moribunde oder demenziell veränderte Patientinnen und andererseits pflegenahe Tätigkeiten wie Assistenz bei Mahlzeiten oder Mobilisierung. Der Frage der strukturellen Verortung von eaP im Klinikgefüge wird insgesamt wenig Aufmerksamkeit gewidmet, allerdings gibt es Hinweise darauf, dass die Einbindung Ehrenamtlicher in die akutklinische Patient:innenbetreuung qualitätssteigernd wirkt. Vor dem theoretischen Hintergrund des Konzepts der sozialen Unterstützung erarbeitet eine aktuelle Studie aus Österreich neben Wirkpotenzialen von eaP für das Wohlbefinden von Patientinnen und die Arbeitsgestaltung des Gesundheitspersonals auch ihr spezifisches Rollenprofil. Aus der inhalts- und metaphernanalytischen Auswertung von 68 Leitfadeninterviews mit Gesundheitsbediensteten und Patient*innen auf neun verschiedenen Abteilungen einer Wiener Klinik wurden Abgrenzungsmerkmale zu anderen klinischen Versorgungsleistungen und konstituierende Elemente der Rolle der eaP herausgearbeitet.

Lachen statt leiden.
Ehrenamtliche Mitarbeiter:innen können dort helfen, wo dem Pflegedienst die Zeit fehlt.
Die Rolle – Abgrenzung und Eigenwert
eaP lässt sich hinsichtlich mehrerer Merkmale von anderen innerklinischen Betreuungsangeboten abgrenzen:
Im Vergleich zu Gesundheitsbediensteten der Medizin und Pflege erweist sich der Zugang von eaP zu Patient:innen als lockerer – Ehrenamtliche stehen nicht unter Zeitdruck und werden im Gegensatz zur Autorität v.a. des Arztberufs, aber auch der Pflegeperson, als gleichrangig wahrgenommen; sie treten zudem nicht mit einer zu erledigenden diagnose- oder therapiebezogenen Aufgabe an den/die Patientin heran, sondern setzen ein unverbindliches thematisch offenes zwischenmenschliches Interaktionsangebot.
Psychologische Unterstützung für Patient:innen muss von der Station angefordert werden, üblicherweise im Kontext mit lebensverändernden Diagnosen oder auffälligem Patientinnenverhalten. Der Kontakt zur Psychologie erfolgt damit aufgrund eines wahrgenommenen Problems und der/die Psycholog:in muss über eine einschlägige Qualifikation verfügen. Die Ähnlichkeit zur eaP liegt im ebenfalls gesprächsbasierten Ansatz, letztere aber zeichnet sich durch einen niederschwelligen, da aufsuchenden Zugang, Laienverständnis und eine alltagsnahe Begegnungsgestaltung auch ohne kontaktinitiierendes Problem aus.
Seelsorge arbeitet wie eaP gleichfalls aufsuchend und mit Einbindung von Ehrenamtlichen. Die Verknüpfung von Seelsorge mit der eigenen Vorstellung von bzw. Erfahrung mit Religion und Kirche und die wiederholt geschilderte Assoziation eines Besuchs der Seelsorge mit dem offenbar bevorstehenden Lebensende unterscheidet sich vom humanistischen und als offen bzw. lebensweltzugewandt wahrgenommenen Zugang der eaP. Hinzu kommt das mit der Erledigung von Besorgungen und Handreichungen als umfangreicher erachtete Serviceangebot.
Angehörige gelten ebenso als Betreuungsressource, auch in Hinblick auf die Zeit nach der Entlassung. In ihrer persönlichen Vertrautheit mit und emotional gefärbten Beziehung zu dem/der Patientin sind sie durch die Krankheit mitbetroffen, was sich nicht immer als hilfreich erweist. Dadurch erforderliches Schonverhalten im Verhältnis zwischen Patient:in und Angehörigen erübrigt sich gegenüber der unverbindlich auftretenden eaP, die mit der Entlassung endet.
Im Gegensatz zur funktionalen, religiösen oder emotionalen Prädeterminiertheit anderer Unterstützungsangebote wird eaP als neutral (ohne eigene Handlungsagenda im Hintergrund) gesehen, was die Basis dafür bildet, sich ohne Angst vor Nachteilen für sich oder die Beziehung zum Gegenüber völlig öffnen und den Kontakt für sich nutzen zu können; mit ihrem Bezug zur Alltagswelt gibt sie im Gegensatz zur problemdominierten Ausnahmesituation des klinischen Betriebs auch anderen Gesprächsthemen als Krankheit und Leid Raum und wird als etwas erlebt, das ein Stück Normalität vermittelt und Patientinnen (Selbst-)Wahrnehmung in ihren Eigenschaften und Kompetenzen über das Krank-Sein hinaus ermöglicht (s. Abb. unten).
Von beiden Komponenten als strukturellen Wirkbedingungen für eaP profitieren nicht nur hochaltrige, vereinsamte oder sterbenskranke Patientinnen. Damit hat eaP sowohl für Patient:innen wie für das Gesundheitspersonal das Potenzial, das hochkomplexe Setting Klinik mit seinen Tendenzen, sich darin getrieben bzw. fremdbestimmt zu fühlen, für alle besser erträglich zu machen und so die Aufenthaltsqualität zu steigern – erstere profitieren auf psychosozialer Ebene (emotionale Entlastung, kognitive Anregung, soziale Einbindung), letztere hinsichtlich Entlastung im Arbeitsalltag (entspanntere Patient:innen, Informationsaustausch). eaP erfüllt damit eine doppelte Brückenfunktion: Sie verbindet Krankenhaus und Alltagswelt sowie innerhalb der Klinik Gesundheitspersonal und Patientinnen und wird gerade als Bindeglied zum Bestandteil des klinischen Leistungsangebots.
Ehrenamtlich, nicht unprofessionell
In dieser Definition steht eaP nicht in Konkurrenz, sondern in Ergänzung zum vorhandenen Versorgungangebot. Zwar gewinnt eaP aus der Ehrenamtlichkeit einen Vertrauensvorschuss, weil ihr der freie Wille, nicht die Dienstpflicht und keine materiell verortete Motivation unterstellt wird. Gleichwohl erfordert sie Elemente von Professionalität wie eine reflektierte Arbeitshaltung und bestimmte Qualitätsstandards: So braucht es zur Erfüllung dieser Rolle Menschen mit bestimmten Selbst- und Sozialkompetenzen wie Offenheit, Einfühlungsvermögen und Reflexionsfähigkeit wie auch der Gabe, eigene Bedürfnisse hintanzustellen und eigene Emotionen zu regulieren. Nötige Fachkompetenzen erfordern keine gesundheitsberufliche Ausbildung, wohl aber Schulung mit Modulen wie Kommunikationstraining einschließlich Datenschutzregelung, Kooperation mit dem Gesundheitspersonal sowie Krankenhaushygiene, Mobilisierungsassistenz, Reanimation, Demenz etc. Wie für jede Gruppe im klinischen Setting ist für fachliche Anleitung, personelle und terminliche Einsatzplanung, Fortbildung, Supervision und Teamklima etc. zu sorgen, wofür sich aufgrund des speziellen Rollengepräges eine koordinierende Kraft unabhängig vom Gesundheitspersonal empfiehlt.
Weder heroisierter Altruismus noch wohlmeinend belächelte Unprofessionalität sind hilfreiche Referenzkonstrukte für eaP. Es geht vielmehr um patient:innenzentrierte psychosoziale Betreuung in Verbindung mit reflektierter Rollenklarheit, um Partnerin und nicht Gegner:in gesundheitsberuflicher klinischer Versorgung sein zu können. Als solcher trägt eaP das Potenzial in sich, die aktuell biomedizinisch dominierte klinische Patient:innenversorgung um das psychosoziale Element als integralen Bestandteil der Betreuung in Richtung Ganzheitlichkeit zu erweitern.
Quellen und Links:
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Egger JW (2005): Das biopsychosoziale Krankheitsmodell – Grundzüge eines wissenschaftlich begründeten ganzheitlichen Verständnisses von Krankheit. Psychologische Medizin 2: 3-12

Über die Autorin:
Mag.a Dr.in Gerlinde Kosits
ist Ehrenamtskoordinatorin
an der Klinik Landstraße, 1030 Wien, Juchgasse 25
Tel: 01/71165/5981
Mail: gerlinde.kosits@gesundheitsverbund.at