Um an das Editorial stilgerecht anzuschließen und zugleich dem Geiste dieser außergewöhnlichen Zusammenkunft der Gesundheitswirtschaft, des Gesundheitssystems und des Gesundheitswesens gerecht zu werden, fällt dem Verfasser dieses Kongressberichts ein letztes Zitat des strapazierten Antoine de Saint-Exupéry in den Schoß: „Was nützt es, Ideologien zu erörtern? Alle lassen sich beweisen, aber alle widersprechen einander. Weltanschauliche Aussprachen können einen am Heil der Menschheit verzweifeln lassen, wo doch alle Menschen ringsum das Gleiche ersehnen. Wir wollen befreit werden, das ist es. Wer einen Spatenstich tut, will wissen wofür.“
Es war dies kein Kongress, der verzweifeln lässt. Es war ein befreiender Kongress, der die eigene Aufgabe nicht vor das Interesse an der Arbeit des anderen stellte. Es war ein Branchentreff, der eigene Interessen hinter dem gemeinsamen Vorhaben der kontinuierlichen Weiterentwicklung des Gesundheitswesens verblassen ließ; kein Normalfall in Vorwahlzeiten, unter wirtschaftlich unruhigen Rahmenbedingungen und bei großen Umbrüchen in Demographie, Technologie und am Arbeitsmarkt.
Prüfen. Überlegen. Gestalten.
Dieser 14. Österreichische Gesundheitswirtschaftskongress am 13. und 14. Juni 2024 in Wien begrüßte Expertinnen und Experten des österreichischen Gesundheitssystems, Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger des österreichischen Gesundheitswesens und Gestalterinnen und Gestalter der österreichischen Gesundheitswirtschaft. Sein Titel war „Alles bleibt anders“.
In seinen Begrüßungsworten als Veranstalter wünschte sich Alexander Barta, Geschäftsführer des Kongressveranstalters Springer-Verlag Wien, dass doch für uns alle Wesentliches anders werde. Für das „Prüfen. Überlegen. Gestalten“ standen im Verlauf der zweitägigen Veranstaltung rund 80 kompetente Vortragende, erfahrene Moderatorinnen und Moderatoren und Diskussionspartnerinnen und -partner zur Verfügung.
Für die Gestaltung und Umsetzung des Programms zeichnete das Kongresspräsidium, Heinz Brock und Susanne Herbek verantwortlich. Die Formate entwickelten sie in den letzten Jahren in dem moderierten Diskurs am Podium und mit dem Publikum.
Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Johannes Rauch, und der Amtsführende Stadtrat für Soziales, Gesundheit und Sport der Stadt Wien, Peter Hacker, eröffneten den Kongress 2024 als Ressortverantwortliche für Bund und Land.
Rauch berichtete aktuell von der politischen Einigung in der Zielsteuerung als „letzten Baustein der Gesundheitsreform“ und schilderte im Detail die letzten Ergebnisse auf dem Weg zu „digital vor ambulant vor stationär“. Er wies jedoch auf den noch langen Weg zur spürbaren Wirkung hin.
Hacker stimmte in ungewohnter Einigkeit den Aussagen von Rauch zu, legte aber den Akzent auf das unglückliche Versprechen der Gesundheitspolitik, dass alles, was möglich ist, auch getan, angeboten und geleistet werde. Dies sei unmöglich zu erfüllen.
Ungewohnt war auch sein Lob für die Ärztekammer, die nun von sich aus eine Studie in Auftrag gegeben habe, basierend auf mystery shopping die Wartezeiten der Bevölkerung auf medizinische Leistungen zu erkunden.
Hacker konstatierte in diesem und anderen Feldern ein Versagen der österreichischen Gesundheitspolitik und meinte auch, dass der große Wurf einer Gesundheitsreform nicht geschafft sei. Originalton: „Wir waren nicht super-erfolgreich.“ Dass die mit dem Wirtschaftswachstum sinkenden Sozialversicherungsbeiträge knapper werden und daher das System mit Steuergeld unterstützt werden muss, hält Hacker für eine große Herausforderung der kommenden Entwicklung.
Den Eröffnungsvortrag hielt der Präsident der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn. Sachlichkeit und Transparenz seien die einfachsten Wege zu guten Lösungen im Sinne des Mottos des Kongresses „Prüfen. Überlegen. Gestalten.“ Wichtig für jede sachliche Diskussion sei es, die Argumente zu dokumentieren – pro und contra.
Die Regeln des Staates, so Peschorn, seien die Gesetze. Es sei für deren Wirksamkeit unabdingbar, dass der Staat seine Regeln sachlich und transparent gestaltet. Da die Verwaltung von deren obersten Organen laut unserer Bundesverfassung per Weisung geführt werde, sei daher besonders darauf Bedacht zu nehmen, in Weisungen Pro- und Contra-Argumente zu dokumentieren.
Wenn wir das Prüfen als ersten Schritt jeder Entscheidung ansähen, wäre zu prüfen, wieviele Kernaufgaben des Staates in den letzten Jahren in den privatwirtschaftlichen Bereich ausgegliedert wurden. Transparenz müsse vor allem für Unternehmen in Anwendung kommen, die Geschäfte mit der Republik Österreich machen, denn dafür werde Steuergeld aufgewendet.
In der nachfolgenden großen Podiumsdiskussion unter der Leitung von Kongresspräsidentin Susanne Herbek trafen erfahrene Entscheidungsträgerinnen und Verantwortliche für die großen Bereiche des Gesundheitssystems aufeinander.
Unter dem Titel „Reformen im Rückspiegel – Veränderungen voraus?“ schilderten Andrea Kdolsky, Bundesministerin a.D., Beate Hartinger-Klein, Bundesministerin a.D., Peter Ausweger, Gesamtleiter der Barmherzigen Brüder Österreich, Alfred Zens, Vorstand der NÖ Landesgesundheitsagentur und Josef Probst, Generaldirektor a.D. im Hauptverband der österr. Sozialversicherungsträger, ihre Eindrücke, Erlebnisse und Pläne der Vergangenheit. Wobei für den interessierten Zuhörer dabei klar erkennbar wurde, dass es so viele Vergangenheiten wie Menschen auf dieser Welt gibt. Dass sie vieles verändert haben, was heute selbstverständlich ist, wie ambulante Leistungen im Krankenhaus, Tagesklinik etc., war zur Vergangenheit der gemeinsame Nenner.
Näher kamen sich die Diskutanten in der Arbeitsliste, die sie für die zukünftige Entwicklung des Gesundheitssystems aufstellten. Accountability, Verantwortung und Zielerreichung seine die Trias zum Veränderungserfolg. Die Gestaltung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung mit mehr Verbindlichkeit der Wege und Verantwortlichkeiten für Gesundheitsdienstleister und Bevölkerung sei notwendig. Wobei die Redewendung „die Leistungen, für die wir eigentlich da sind“ wohl weiterhin einer verbindlicheren Definition harrt.
Einigkeit bestand darüber, dass endlich der „Schatz der Daten“, der wie die Finanzierung zersplittert in vieler Hände und Keller liegt, endlich gehoben und für Entscheidungen im Gesundheitswesen genützt werden müsse.
16 Sessions
Wie einleitend bereits angesprochen, fand die „eigentliche“ Arbeit am Kongress in den folgenden Fachsessions der zwei Tage Platz und Zeit. Es ging bis Freitag um eins und fast alle waren bis zum Schluss da.
Die Ergebnisse dieser Sessions sind dokumentiert: Als Vortragspräsentationen, Bilder und Videos stehen sie für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Kongress und interessierte terminlich Verhinderte hier bereit!
Sehen Sie hier alle Bilder vom ÖGWK 2024: zu den Fotogalerien.