Virtual-Reality in der Pflege: Training in der virtuellen Welt

Lesedauer beträgt 3 Minuten
Autor: Michael Krassnitzer

Ein internationales Gemeinschaftsprojekt forciert die Nutzung von Virtual-Reality-Anwendungen in der Pflegeausbildung. Die VR-Technologie hat sich zuletzt stark verbilligt. Oberösterreichische Institutionen sorgen für den österreichischen Input.

Eine computergenerierte Wirklichkeit: Virtual Reality („virtuelle Realität“, VR) soll den Nutzer in eine realistisch anmutende, dreidimensionale Welt versetzen. Was als Idee in der Science-Fiction-Literatur der 1980er-Jahre begann, ist heute eine Technik, die in unterschiedlichsten Bereichen zum Einsatz kommt. In der Industrie dient Virtual Reality der Erstellung von virtuellen Produkten als Prototypen sowie der Produktionsplanung; in der Raumplanung werden bauliche Vorhaben noch vor ihrer Umsetzung in ihrer Umgebung erlebbar gemacht; in der Immobilienbranche wird Virtual Reality für virtuelle Wohnungsbesichtigungen eingesetzt; Kulturinstitutionen veranstalten virtuelle Ausstellungen für Besucher, die sich nicht vor Ort befinden. Nicht zuletzt in der Medizin wird Virtual Reality zum Training von chirurgischen Eingriffen oder zum Erproben neuer chirurgischer Methoden verwendet.

Vorstellungskraft. Virtual-Reality-Anwendungen bringen Auszubildende visuell ein Stück näher an die Wirklichkeit. Ein Leitfaden soll Herstellern klar machen, wie VR professionelle Pflegeausbildung unterstützen kann.

Ein mögliches Anwendungsgebiet ist auch die Pflegeausbildung. Wie Virtual Reality in der Ausbildung von Pflegefachkräften eingesetzt werden kann, ist Thema des Projekts VReduMED, für das sich zehn Partner aus fünf mitteleuropäischen Ländern zusammengeschlossen haben. Die Partnerorganisationen aus Österreich, Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Deutschland haben es sich zum Ziel gesetzt, in Zusammenarbeit zwischen Ausbildungseinrichtungen im Gesundheitswesen und Medizintechnikanbietern (allen voran kleinen und mittleren Unternehmen sowie Start-ups) VR-Anwendungen in der Pflegeausbildung zu verankern. Die beiden österreichischen Projektpartner sind die Education Group in Linz sowie Business Upper Austria, die Standortagentur des Landes Oberösterreich – im Speziellen deren Medizintechnik-Cluster (MTC), in dem aktuell rund 190 Partner aus ganz Österreich miteinander vernetzt sind und über den zahlreiche Medizintechnikanbieter in das Projekt eingebunden sind.

Anatomie und Handlungsabläufe

Trainingsmodelle für die menschliche Anatomie gelten als typische Anwendungen von Virtual Reality in der Pflegeausbildung. Die Programme geben den Anwendern die Möglichkeit, anatomische Strukturen im dreidimensionalen Raum zu erleben. Dabei sieht der Nutzer das Modell eines Menschen vor sich und kann das Skelett, die Muskeln, die Blutgefäße oder das Nervensystem aus jeder gewünschten Perspektive betrachten. Derartige Anwendungen gibt es bereits für Ärzte bzw. Medizinstudenten, allerdings übersteigt deren Genauigkeit und Detailliertheit bei Weitem das, was Pflegekräfte über die menschliche Anatomie wissen müssen.

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit ist das Erlernen und Trainieren von standardisierten Handlungsabläufen (SOPs) wie das Vorbereiten von Operationsbesteck, Intubationsbesteck oder von Wundmaterialien. Mittels Controller nimmt der Anwender die virtuellen Geräte aus einem imaginären Wagen und ordnet sie auf einer Fläche richtig an. Auch Hygiene oder Sturzprävention können virtuell trainiert werden: Der Anwender bewegt sich dabei durch einen Raum und begibt sich dort auf die Suche nach Fehlern, die das Wohl der Patienten gefährden.

Es können auch mehrere Anwender zugleich einen virtuellen Raum betreten und dort gemeinsam komplexe Notfallsituationen oder Großschadensereignisse trainieren. Diese Situationen können individuell angepasst und in ihrer Schwierigkeit modifiziert werden. „Man kann den Nutzer in jedes beliebige Setting versetzen und alle möglichen Situationen orts- und ressourcenunabhängig trainieren“, bekräftigt MTC-Projektmanager Thomas Wolfinger. Die Interaktion mit der virtuellen Welt sei auch leicht zu erlernen: „Wenn man das Grundprinzip einmal heraußen hat, findet man sich in jeder Anwendung schnell zurecht.“

Täuschend echt. Mit den Mitteln der VR wird der Nutzer in jede beliebige Situation versetzt. Orte und Bedingungen werden beliebig simuliert.

Limitationen

Die Anwendungsmöglichkeiten von Virtual Reality sind limitiert. Weil es in der virtuellen Realität noch kein haptisches Feedback gibt, ist das Trainieren feinmotorischer Abläufe nicht möglich. Das Setzen einer Kanüle oder das Verabreichen einer Spritze ist mit der heutigen VR-Technologie nicht adäquat simulierbar. Auch für das Training von Soft Skills wie den Umgang mit Patienten ist VR nicht geeignet. „Emotionale Reaktionen von Patienten sind mit der heutigen Rechenleistung nicht reproduzierbar“, sagt Wolfinger. Fortschritte in der Chip-Technologie und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz könnten aber auf diesem Gebiet künftig zu brauchbaren Lösungen führen.

Die VR-Technologie hat sich in den vergangenen Jahren rasant weiterentwickelt. Früher brauchte man zur Simulation einer virtuellen Realität einen leistungsstarken Computer. Die per Kabel mit dem Rechner verbundenen VR-Brillen waren ziemlich teuer. Zusätzlich waren noch im Raum installierte Kameras vonnöten um die Bewegungen des Users aufzunehmen und die Immersion perfekt zu machen. Heute geht der Trend in Richtung Stand-alone-Lösungen. Das bedeutet: Es ist kein Computer mehr notwendig. Der Chip, mit dem die virtuelle Welt generiert wird, befindet sich bereits in der Brille, in die auch das Headset inte­griert ist. Sobald man das Gerät aufsetzt, befindet man sich flugs in einer anderen Welt. Derartige Brillen sind heutzutage im ganz gewöhnlichen Elektronikhandel um wenige hundert Euro erhältlich. Die geringen Kosten und das leichte Handling der Hardware machen den Einsatz von VR-Anwendungen nun auch in Bereichen interessant, wo das Geld nicht so locker sitzt.

Roadmap und Handbuch

Das VReduMED-Projekt durchläuft drei Phasen. Im ersten Schritt wurden die strategischen Grundlagen für die Entwicklung innovativer VR-basierter Lösungen gelegt. Zum einen wurde eruiert, welche Kompetenzen es im zentraleuropäischen Raum gibt, sprich: welche Stakeholder auf dem Gebiet von Virtual Reality im Gesundheitswesen es überhaupt gibt. Zum anderen fanden Round Tables mit Vertretern der Pflegepädagogik und Herstellern von VR-Lösungen statt. Auf diese Weise wurde abgeklopft, welche Erwartungen die potenziellen Anwender überhaupt an mögliche VR-Anwendungen im Gesundheitswesen stellen. Nun wird eine Roadmap mit Empfehlungen für Unternehmen ausgearbeitet. „Es handelt sich um einen Leitfaden für die Anbieter von VR-Technologien, wie sie am besten in den Bereich Gesundheit und Pflege einsteigen“, erklärt Wolfinger.

Im zweiten Schritt soll ein Handbuch erstellt werden, das sich an Pflegekräfte, an Pflegeinstitutionen und an die Pflegeausbildung richtet. Darin sollen exemplarisch gute Anwendungen von Virtual Reality in der Pflegeausbildung aufgelistet und erläutert werden. Weiters soll darin erklärt werden, wie diese Anwendungen implementiert werden können.

In der letzten Projektphase soll ein Netzwerk von VReduMED-Laboren aufgebaut werden, wo VR-Anwendungen für Demons­trationszwecke oder auch für Trainings zur Verfügung stehen. Es ist auch geplant, aktiv an Gesundheitseinrichtungen und Pflegeausbildungsstätten zuzugehen und ihnen die existierenden Lösungen zu präsentieren. Dass die potenziellen Anwender Virtual Reality einmal selbst ausprobieren, ist ein ganz entscheidender Faktor, wie Wolfinger erläutert. Der Projektmanager hat daher immer eine VR-Brille mit dabei, wenn er mit Personen aus der Zielgruppe zusammentrifft: „Wenn das Gegenüber aus eigener Erfahrung weiß, wie Virtual Reality aussieht, hat man gleich eine ganz andere Gesprächsbasis.“  

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Weiterlesen

Telemedizin und Künstliche Intelligenz im intramuralen Bereich Österreichs

Der Einsatz von Telemedizin und Künstlicher Intelligenz (KI) nimmt auch im österreichischen Gesundheitswesen Fahrt auf. Ein Bericht der Gesundheit Österreich (GÖG) aus dem Jahr 2022 analysiert die Landschaft der in Österreich im Einsatz oder in Entwicklung befindlichen digitalen Lösungen im intramuralen Bereich.