Biotechnologe Oliver Spadiut im ÖKZ-Brennpunkt-Interview.
Sie sind TU-Professor mit Bereichsleitung und Co-Founder eines umfangreichen Start-ups – wie vereinbaren Sie das?
Das ergänzt sich perfekt. NovoArc ist ein Spin-off der TU Wien, wo ich Professor für Bioverfahrenstechnik bin. Wir sind ein forschungsgetriebenes Unternehmen, und vieles, was wir in der Firma tun, hat seine Wurzeln in der akademischen Arbeit an der Universität, die uns dankenswerterweise immer unterstützt hat. Unterschiedlich sind vor allem die Organisation und die Verantwortung: An der Uni habe ich eine große Institution im Rücken, im Start-up müssen ich und meine Mitgründer alles selbst managen.
Haben es Start-ups im Life-Science-Bereich schwerer als andere Gründer?
Ja, definitiv. Wir brauchen Labore von hunderten Quadratmetern, teure Geräte und aufwendige Zertifizierungen. Allein die Grundausstattung kostet einen Millionenbetrag. Eine IT-Firma kann mit einem Laptop starten – wir nicht. Als Deep-Tech-Unternehmen sind die Einstiegshürden viel höher, allein schon, weil Laborflächen in Wien schwer zu bekommen waren, als wir gründeten.

Oliver Spadiut habilitierte sich an der TU Wien 2015 in Biotechnologie wurde im Jahr 2022 Leiter des Forschungsbereichs Bioverfahrenstechnik. 2021 gründete er gemeinsam mit David Wurm und Julian Quehenberger NovoArc. Das Wiener Biotech-Unternehmen entwickelt eine biotechnologische Lipidhülle, die es erlaubt, dass Medikamente durch Tabletten oder Tropfen anstelle von Spritzen verabreicht werden können.
Sie fungieren bei NovoArc als Chief Product Officer. Was macht der?
Ich öffne Türen. Durch meine TU-Rolle habe ich ein Netzwerk aufgebaut, das uns Zugang zu Entscheidern verschafft. Gleichzeitig kümmere ich mich um Business Development. Wir entwickeln keine Wirkstoffe, sondern eine Verpackung, die diese Wirkstoffe im Magen vor Abbau schützt: Unsere Lipide machen Peptide oder Proteine oral bioverfügbar und lassen sie im Darm wirksam werden. Dafür brauchen wir zwingend Pharmaunternehmen, die die Wirkstoffe haben und mit uns kooperieren.
NovoArc forscht nicht nur, sondern verkauft Lipide. Wie bringen Sie Ihre Technologie und Ihren Unternehmensnamen in den Markt?
Mit viel Handarbeit. Ich nutze KI-Tools, wie ChatGPT, um weltweit Firmen zu identifizieren, und mache dann Cold Calls oder schreibe direkt Mails. Das klingt nach Staubsaugervertreter, aber es ist effektiv.
Wie steht es um Ihre Forschungskooperationen?
Ich bemerke, dass es einen Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße und Experimentierfreudigkeit gibt. Big Pharma akzeptiert nur fertige Lösungen, die in einer Schublade schlummern und nur mehr herausgenommen werden müssen. Das können wir noch nicht bieten – da sind wir zu früh. Viel agiler und offener für Kooperationen sind kleine und mittlere Pharmaunternehmen. Mit ihnen kommen wir schneller zu gemeinsamen Projekten.
Behindert die MDR-Thematik Ihren Business Case?
Ja, enorm. Wir haben zwar gute Daten aus der Präklinik, aber solange unser Produkt nicht am Menschen getestet wurde, winken viele Pharmafirmen ab. Das ist oft ein Knockout-Kriterium. Die MDR-Regeln verschärfen die Situation, weil sie Prozesse verlangsamen und zusätzliche Kosten erzeugen. Das bremst Start-ups aus.
Klinische Prüfungen gelten als Start-up-Killer. Warum?
Eine Phase-I-Studie mit wenigen Probanden kostet mehrere Millionen Euro. Für alle Phasen I bis III zusammen reden wir von bis zu einer Milliarde Euro, abhängig von der Indikation. Das ist für ein Start-up unmöglich alleine zu stemmen. Ohne Partner aus der Pharmaindustrie geht es nicht.
Könnten Abnehm-Spritzen künftig auch als Tabletten kommen?
Genau das ist unser Zielmarkt: kleine Peptide, Nukleinsäuren oder auch Antibiotika oral verfügbar zu machen. Wir wollen die Wirkstoffe in den Darm bringen und die Aufnahme deutlich verbessern. Ob man es gut findet, dass Abnehm-Medikamente Milliardenmärkte werden, ist eine andere Frage. Aber technologisch können wir dazu beitragen, diese Wirkstoffe künftig als Tabletten verfügbar zu machen.
Wie sehen die nächsten Schritte aus?
Wir haben einen Runway von rund zwei Jahren. Bis dahin wollen wir eine positive Präklinik erreichen. Wenn das gelingt, haben wir Chancen, mit einem Partner in die Klinik zu gehen. Wenn nicht, müssen wir ehrlich sein und sagen: Dann war es das. Aber ich bin überzeugt, dass unsere Plattform funktioniert – und dass wir die richtigen Partner finden.

