ÖGWK 2025: „Überzeugungen sind gefährlicher als Lügen“

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Bei der Eröffnung des 15. Österreichischen Gesundheitswirtschaftskongresses in Wien umriss die Philosophin Lisz Hirn die Debatten, die technologische Entwicklungen im Gesundheitsbereich aufwerfen. Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker brachte es in einem knappen Satz auf den Punkt: „Was brauchen’d Leut?“

Ein halbrundes Jubiläum ist es. Am Donnerstag begann in Wien der 15. Österreichische Gesundheitswirtschaftskongress von Springer Medizin und gesundheitswirtschaft.at. Ein Erfolgsmodell, wie es Romana Ruda vom Kongresspräsidium bei der Eröffnung nannte. Das Motto dieses Jahr: „Neue Wege für alte Ziele. Versuchen. Vereinbaren. Vertrauen.“

Ein Stelldichein mit 80 Vortragenden, 15 Ausstellern und 400 Gästen ist die Veranstaltung in diesem Jahr. Ein Branchentreffen in unruhigen Zeiten des nicht zuletzt auch technologischen Umbruchs. Das zeigt schon das Feld der Aussteller. Es sind IT-Lösungen, technologische Entwicklungen, die hier dominieren – von Verwaltungs-Software über Hygiene-Robotik bis zu Telemedizin-Anbietern. Eine „Ideenwerkstatt“, ein Vernetzungstreffen der Branche nannte Alexander Barta, Managing Direktor des Springer Verlags Österreich, das Treffen in seinen Eröffnungsworten.

Es ist ein Kongress, der nicht zuletzt aber auch unter dem Eindruck des Amoklaufs in Graz stand: Eröffnet wurde der Kongress mit einer Schweigeminute im Gedenken an die Opfer dieser Bluttat.

Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker bei seiner Eröffnungsrede des 15. Österreichischen Gesundheitswirtschaftskongresses.

Vor einem Jahr ist an dieser Stelle gesagt worden, würden wir so weiter machen wie bisher, werde das System an die Wand fahren, so Kongresspräsident Heinz Brock. Haben wir so weiter getan wie bisher? Fahren wir das System also an die Wand? Das sind die Fragen, die am Donnerstag und Freitag in Wien besprochen werden sollen.

„Digital vor Ambulanz, vor Stationär“ , so umriss Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig in ihren Eröffnungsworten die politische Stoßrichtung der österreichischen Bundesregierung. Es sei wichtig, die öffentliche Gesundheitsversorgung zu verbessern, zugleich aber auch die knappen Ressourcen zu schonen. Sie freue sich auf gute Zusammenarbeit in den nächsten Jahren.

Zur „Stammmannschaft des Kongresses“ (Romana Ruda) zählt Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker, der auch in diesem Jahr wieder beim Kongress zu Gast war. Hacker freute sich einleitend in seiner Eröffnungsrede, nicht als Möbelstück mit Inventarnummer bezeichnet worden zu sein. Dieses Gesundheitssystem sei exzellent, so Hacker. Es sei exzellent, weil es resilient sei. Es sei aber auch resilient, was Reformen und Veränderungen angehe. Es gebe aber Veränderungen in die richtige Richtung. Und der Gesundheitswirtschaftskongress, der sei ein Forum, um eben diese Veränderungen einzuleiten, um den Boden zu bereiten.

„Bedürfnisse der Patienten viel zu wenig auf dem Radar“

Das Gesundheitssystem müsse sich aber mehr auf die Kunden fokussieren – auf die Patientinnen und Patienten. Und es müsse reflektieren und eingehen auf all jene, die „hoffentlich nie Patienten werden“. Und vor allem auch auf all die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Da gebe es viel Luft nach oben. „Wir haben die Bedürfnisse der Patienten viel zu wenig auf dem Radar“, so Hacker. Die Schaffung von dezentralen Primärversorgungszentren in Wien sei ein Weg in die richtige Richtung. Schwierigkeiten gebe es aber nach wie vor. Man müsse sich die Frage stellen: „Was brauchen’d Leut?“

Aber auch die Ausbildung sei eine Herausforderung – nicht zuletzt in der Pflege. Aber da stelle man immer wieder fest: Die Menschen, die in diesem Feld arbeiten wollten, die gebe es durchaus. Die Zahl der Ausbildungsplätze zu verdoppeln, funktioniere. Es gebe genügend Bewerberinnen und Bewerber in dieser Branche. In der Debatte um die Finanzierung des Gesundheitswesens sei aber die Ausbildung unterrepräsentiert. Das sei zu wenig am Radar gewesen. Darauf werde man einen Fokus legen müssen. Ebenso wie auf die Konnektivität unterschiedlicher Akteure – etwa wenn es darum gehe, komplexe Behandlungen ambulant durchzuführen.

Philosophin Lisz Hirn hält ihren Eröffnungsvortrag.

Das sind Themen, die an Grundfragen rühren. Fragen, die die Philosophin Lisz Hirn in ihrem Eröffnungsvortrag berührte. Denn es seien Fragen, die die Menschen an sich unmittelbar betreffen. Wem sollten die Menschen denn noch vertrauen? Den Menschen? Dem Staat? Maschinen? Und das führe zu der Frage: „Was ist der Mensch?“ Humiditas, Demut, Human, Humus – das seien Begriffe, die die Begrenztheit des Menschen in sich trügen. Bescheidenheit sei der Beginn von Vernunft. Denn Bescheidenheit bedinge das Begreifen der eigenen Grenzen. Gehe es um die „Verbesserung“ des Menschen durch Technologie? Gehe es darum, den Menschen als etwas zu sehen, was technologisch überwunden werden müsse? Da kommt der Begriff „Übermensch“ ins Spiel – eine Idee, die es über Jahrhunderte gegeben und die auch bestialische Formen angenommen hat. Die Frage sei, wohin wir dieses „Wesen“ entwickeln wollten und womit und wodurch.

Technologische Entwicklung würden Fragen aufwerfen, so Lisz Hirn: Wieso bilden, wenn man den Mensch auch technologisch verbessern könne? Und wie würden diese transhumanistischen Eingriffe unser Selbstbild als Mensch verändern? Anstatt einer Dämonisierung der Technologisierung brauche es eine Humanisierung der Technologie, so die Forderung von Lisz Hirn. Die Frage sei nicht, ob die Maschinen besser rechnen oder Reden schreiben könnten, sondern ob Menschen es dann noch selbst tun würden, und wie Menschen diese Maschinen programmieren und wo sie diese einsetzen – oder absichtlich eben nicht einsetzen. Auch etwas nicht zu tun, sei eine Entscheidung. Eine unerbitterliche Selbsthinterfragung sei unausweichlich. „Überzeugungen sind gefährlicher als Lügen“, so Lisz Hirn. Weil Überzeugungen Sicherheiten böten, die schwerer aufzugeben seien, als Lügen.

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