IT-Hansdampf Michael Georg Grasser: Wird Bildung zum Infotainment?

Lesedauer beträgt 3 Minuten
Autor: Scho

Im Interview spricht der IT-Experte, Lektor und Vortragende Michael Georg Grasser über Chancen und Fallstricke digitaler Entwicklungen – vor allem, wenn es um das Lernen geht.

Michael Georg Grasser ist Leiter der IT-Fachabteilung bei der Steiermärkischen Krankenanstalten-Gesellschaft. Aber Michael Georg Grasser ist ein Hansdampf in Sachen IT in vielen Gassen des Gesundheitswesen, und auch als Vortragender und Unterrichtender tätig – und das seit dem Jahr 2003.

Wir stehen inmitten einer technologischen Revolution. Und die wirkt direkt hinein in den Bildungsbereich. Welche Möglichkeiten eröffnen diese Entwicklungen, und welche Risiken bergen sie?
Michael Georg Grasser:
Das Thema Bildung oder Ausbildung ist ein Generationenthema. Es gibt die Analog-Natives und es gibt die Digital-Natives. Und das bietet ein Spannungsfeld zwischen dieser Haltung: ich möchte nicht. Und: ich habe schon und ich erwarte das. Das bedeutet für uns bei Digitalisierungsschritten im Gesundheitswesen, dass wir darauf aufpassen müssen, beide Seiten abzuholen. Das betrifft die Rahmenbedingungen in Organisationen wie auch die Inhalte, die Systematik, die Methodik, die wir umsetzen wollen. Und in der Bildung bedeutet das nicht nur für uns interaktives Lernen. Die Strategie ist: digital vor ambulant vor stationär. Da sind wir auf einem guten Weg, glaube ich. Aber das ist mit Sicherheit auch eine große Herausforderung, einerseits vielleicht für ältere Personen, aber auch für die Health Professionals. Für die Ausbildung bedeutet das interaktives Lernen.

Lehre an sich bedeutet ja immer auch gewissermaßen die Weitergabe von Information durch zumeist eine ältere Generation an eine jüngere. Im digitalen Bereich dreht sich da die Sache ja um. Da wissen die Jungen ja oft weit mehr als die Älteren.
Naja, das ist schwierig. Aber nachdem ich doch seit über 15 Jahren auch in der Lehre in unterschiedlichsten Universitäten, Fachhochschulen der Militärakademien in Hörsälen stehe, kann ich schon sagen: Dieses Bild der Weitergabe von Wissen von Älteren an Jüngere stimmt nicht so ganz. Als ich angefangen habe, zu unterrichten, waren die Studierenden im Durchschnitt 45 und ich war 25. Aber ich würde einmal sagen: Ja, das war früher vielleicht ein Thema, das ist es aber jetzt in der Art nicht mehr. Das bedeutet aber für uns als Lehrende, dass wir uns noch zeitnaher, noch direkter, noch schneller mit der Materie beschäftigen und am Puls der Zeit bleiben müssen. Das war früher leichter. Da habe ich mir ein Buch genommen und habe das 20, 30 Jahre an der Uni unterrichtet. Das geht in diesen Schritten, in denen wir uns jetzt befinden, definitiv nicht mehr. Das ist eine Herausforderung – und insbesondere für Lehrende. Und damit meine ich nicht nur die akademische oder schulische Lehre, sondern auch das laufende Lernen, das interaktive Lernen, das implizite Lernen – auch in einem Betrieb.

Wann beginnt und wann endet lernen?
Das Schöne an der Sache ist für mich, dass das wirkliche Lernen für mich passiert, wenn ich es gelehrt habe. Denn spätestens dann kommen viele Aha-Effekte, viele Momente, wo man denkt: Ja, ich habe es zwar früher auch verstanden, aber jetzt muss ich permanent in der Lage sein, Fragen zu beantworten. Das ist das Spannende.

Lernen ist ja zum Teil ein durchaus mühsamer Prozess, und das ist ein Prozess, der auch mit Überwindung einhergeht. Wenn Sie jetzt sagen, interaktiv, dann klingt das ein bisschen nach Infotainment. Ist das die Attitüde des Gegenübers, der Lernenden? Hat sich die Haltung da verändert?
Es gibt ja Lernziele. Diese Lernziele nehmen wir in die Prüfungssituation mit. Und die kann auch eine Anwendungssituation sein, eine praxisnahe Situation. Das bedeutet für uns: Wenn man wie früher sagt, ich habe da mein Buch und lehre das 20 Jahre lang, dann sind wir wahrscheinlich im Digitalisierung-Segment, nicht mehr ideal beheimatet. Das hat sich verändert. Und zwar im großen Stil. Da ist der Gamification-Ansatz dazu gekommen. Man möchte spielerisch etwas erarbeiten. Und da ist dieser Micro-Learning-Ansatz der in vielerlei Hinsicht gut und richtig ist – vor allem im innerbetrieblichen Kontext, während einer hochkomplexen Tätigkeit in kleinen Dosen mit zu lernen. Also kleine Dosen in einer sehr hohen Frequenz. Das ist gut. Aber wenn ich jetzt nicht von der laufenden Weiterbildung spreche, sondern von der Ausbildung: da kommt sehr häufig die Frage, könnte man das nicht auch noch als kurzes Video haben? Es ist schon so, dass es sehr stark die Erwartungshaltung ist, dass da sehr viel multimedial aufbereitet ist

Jetzt bietet dieser technologische Fortschritt Möglichkeiten, er bietet aber auch eine herrliche Möglichkeit zu schummeln. Stichwort KI. Wie geht man als Lehrender damit um?
Das ist eines meiner Lieblingsthemen. In der Prüfungssituation war früher mal die typische offene Frage: Erkläre mir das Thema XY. Und natürlich kann ich jegliche digitalen Medien verbannen. Aber wenn wir jetzt von Abschlussarbeiten sprechen, bin ich zutiefst davon überzeugt, dass in gewissen Arbeiten KI-Systeme eingesetzt werden. Wenn sie benannt werden, dann ist das zu akzeptieren, wenn die Quellen dahinter sind. Und da sage ich: Da frage ich das doch nochmal ab oder lasse mir die Anwendung zeigen. Konkret: Ich hätte gerne, dass du etwas Neues aus diesem oder jenem Stoff machst, mit deiner Erfahrung, die du im Zuge deiner eigenen Arbeit gemacht hast. Im betrieblichen Kontext geht es um Support, um Unterstützung und nicht darum: Hat denn der Mitarbeiter das neue System, die Digitalisierungsmaßnahme, auch wirklich verstanden und kann das in Form einer schriftlichen oder mündlichen Prüfung anwenden. Da geht es um den Erfolg der Anwendung.

(red.)

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

ÖGWK 2025: Rechtzeitiger Zugang zu medizinischen Innovationen als Wegbereiter einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung
Advertorial

ÖGWK 2025: Rechtzeitiger Zugang zu medizinischen Innovationen als Wegbereiter einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung

Wie kann die Zusammenarbeit der Versorgungsebenen unter Berücksichtigung der Patientenperspektive optimiert werden? Welche positiven Effekte ergeben sich durch die frühzeitige Implementierung von Innovationen für den Wissenschaftsstandort Österreich? Erwarten Sie eine lebhafte Diskussion mit Gunda Gittler, Robert Sauermann, Birgit Grünberger und Jens Weidner.

ÖGWK 2025: Healthy Investments – Welchen gesellschaftlichen Wert hat medizinische Innovation?
Advertorial

ÖGWK 2025: Healthy Investments – Welchen gesellschaftlichen Wert hat medizinische Innovation?

Tragen moderne Arzneimittel zu einem gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Nutzen bei? Kann ein frühzeitiger Zugang zu qualitativ hochwertigen Therapien die Versorgungssicherheit in Österreich erhöhen, unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken und einen nachhaltigen Zukunftsnutzen schaffen? Welche Effekte ergeben sich für Patienten und die Gesellschaft durch diese Investitionen? Darüber diskutieren unter anderem Josef Smolle, Alexander Mülhaupt und Bernhard Rupp.

ÖGWK 2025: „Überzeugungen sind gefährlicher als Lügen“
Live vom ÖGWK 2025

ÖGWK 2025: „Überzeugungen sind gefährlicher als Lügen“

Bei der Eröffnung des 15. Österreichischen Gesundheitswirtschaftskongresses in Wien umriss die Philosophin Lisz Hirn die Debatten, die technologische Entwicklungen im Gesundheitsbereich aufwerfen. Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker brachte es in einem knappen Satz auf den Punkt: „Was brauchen'd Leut?“