Leif Moll: „Produktionen wandern weiter ab“

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Autor: Josef Ruhaltinger

Leif Moll, Geschäftsführer von Merck Österreich, im ÖKZ-Brennpunkt-Interview über die Fragen, warum Österreich für die Pharmaunternehmen ein Mangelmarkt ist, welche medizinischen Gebiete derzeit die höchste Forschungsintensität innerhalb der Pharmabranche haben und ob die Forderungen eines industriellen Reshorings eine Chance haben.

Herr Moll, US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, die Medikamentenpreise in seinem Land um die Hälfte senken zu wollen. Reicht dazu ein Präsidenten-Dekret?
Nein, so einfach ist die Welt nicht. Klar ist, die Medikamentenpreise in den USA sind höher als in den meisten anderen Regionen. In den USA gibt es sehr hohe Listenpreise, die aber nicht immer tatsächlich bezahlt werden oder der Industrie zufließen. Ein großer Teil des Geldes versickert im „Channel“, also z. B. bei sogenannten Pharmacy-Benefit-Managern. Das sind Unternehmen im US-Gesundheitswesen, die zwischen pharmazeutischer Industrie, Krankenversicherungen und Apotheken stehen und Endpreise verhandeln, die allerdings mit den Listenpreisen nicht mehr viel gemein haben. Und ein Dekret allein wird diese Rahmenbedingungen nicht ändern können.

Leif Moll ist seit Juli 2020 Geschäftsführer von Merck Österreich und seit Februar des Jahres Präsident des Forums der forschenden pharmazeutischen Industrie (FOPI).

Die heimische Pharmabranche beklagt seit Jahren, dass der Preisdruck der Sozialversicherungen für die immer wieder knappe Medikamentenversorgung verantwortlich sei. Die Einkäufer weisen auf die Milliardengewinne der Branche hin. Warum ist Österreich für Pharmaunternehmen ein Mangelmarkt?
Der Vorwurf lautet oft, die Industrie sei der Monopolist. Aber ich sehe das eher umgekehrt: In Österreich verhandeln wir mit einem Monopolisten – der Sozialversicherung. Wer nicht im Erstattungskodex ist, verkauft kaum etwas. Deshalb finden wir am Ende meistens einen Kompromiss. Aber die Luft wird dünner – gerade im extramuralen Bereich. Der Preisdruck ist enorm.

Sie sind seit Februar Präsident der forschenden Pharmaindustrie. Ist Österreich ein ernstzunehmender Forschungsstandort?
Grundsätzlich ja – wir haben ein gutes Gesundheitssystem, Top-Forscher und exzellente Ärzte. Aber die Forschungsaktivität nimmt ab. Die Anzahl der gestarteten klinischen Studien sank zwischen 2021 und 2024 von 285 auf 205. Das sind fast 30 Prozent weniger. Das macht mir Sorgen. Österreich ist ein kleiner Markt, in dem der Pool an Patienten für die diversen klinischen Studien nicht groß ist. Wir brauchen vereinfachte Prozesse – etwa standardisierte Verträge für multizentrische Studien. Heute verhandeln Sie oftmals für jede Klinik einzeln. Das ist extrem ineffizient. Auch arbeiten viele Studienzentren mit Drittmitteln ohne langfristige Finanzierungsperspektive – wenn diese wegfallen, bricht alles zusammen. Was wir brauchen, sind stabile Strukturen mit festangestellten Studynurses und Koordinatoren.

Wie steht es um die Personalressourcen? Finden forschende Pharmaunternehmen genug Wissenschaftler?
Ja, ich sehe da aktuell keinen Engpass. Österreich bietet ein stabiles Umfeld und gute Rahmenbedingungen. Wir hoffen auch, dass manche aus den USA zurückkehren. Die Ereignisse an den US-Universitäten verbessern die Chancen der europäischen Forschungseinrichtungen.

Welche medizinischen Gebiete haben derzeit die höchste Forschungsintensität in Ihrer Branche?
In Europa dominiert klar die Onkologie – rund die Hälfte aller Studien werden auf dem Gebiet aufgesetzt. Danach folgen Immunologie, Stoffwechselerkrankungen, Neurologie und zunehmend seltene Erkrankungen. Gerade bei den Rare Diseases tut sich viel – unsere Daten zeigen, dass rund ein Drittel der Neuzulassungen in diesen Bereich fällt.

Die Pandemie hat gezeigt, dass die Logistikkette aus Indien und China bei Pharmaprodukten rasch reißt. Haben die Forderungen eines industriellen Reshorings – Produktion aus Asien nach Europa zu bringen – eine Chance?
Es ist möglich, aber nur in Teilen – und es dauert. Pharmaproduktion ist komplex, kapitalintensiv und lässt sich nicht einfach von hier nach dort verschieben. Während der Pandemie sprach man viel von „strategischer Autonomie“, aber das Thema ist wieder aus der öffentlichen Diskussion verschwunden. Im Gegenteil: Werke schließen, Produktionen wandern weiter ab. Vor allem im Bereich der lebenswichtigen, aber nicht patentgeschützten Medikamente macht der Preisdruck europäische Pharmaproduktion oftmals unrentabel.

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