Da sein und helfen …

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Autor: Christian Lagger

Assistierter Suizid ist seit dem VfGH-Urteil in breiter Diskussion – medial und auch in Privatgesprächen.

Es ist traurig, wenn Menschen nicht mehr leben wollen. Jeder Selbstmord ist einer zu viel. Menschen, die ihrem Leben ein Ende setzen, bleiben uns und jedem Urteil darüber entzogen. Achtung und Respekt vor der Würde des Menschen und seiner Entscheide erlauben keinen Kommentar.

Michel Houellebecq, ein schillernder und streitbarer französischer Literat und Denker, sagte jüngst in einem Interview: „Wenn es mit einem Land – einer Gesellschaft, einer Zivilisation – so weit ist, dass es die Euthanasie legalisiert, verliert es in meinen Augen jegliches Anrecht auf Respekt.“ Das ist sehr radikal formuliert, aber: Menschen den Tod bringen, das können wir doch nicht wollen?! Zum Suizid verhelfen als gesellschaftlich legitimiertes Sterbemodell und möglicherweise gegen Bezahlung – das darf nicht letzte humanitäre Weisheit sein. Es kann nicht sein, dass vulnerable Gruppen, wie alte und kranke Menschen, den Eindruck bekommen, unsere Gesellschaft formuliert staatlich verfügt den Hinweis: Du bist zu schwer für uns, zu unerträglich, zu aufwendig. Lass Dir in den Tod verhelfen. Dann hast Du Ruhe und wir auch! Was für eine Welt wäre das? In welcher Welt wollen wir leben?
Besser ist es doch, wir sind da füreinander und helfen Menschen dabei, ihr Leben, so gut es halt geht, zu leben. Und: helfen, dass Menschen ihr Leben mit allen Herausforderungen bejahen können. Helfen und da sein für andere geht nur konkret. Ganz konkret. Die Zusage zu helfen darf kein „Blabla“ sein. Christen, Kirchen und Orden werden auch in Zukunft verstärkt tun, was sie besonders gut können: Da sein und helfen. Lebensqualität in jeder – auch der letzten – Lebensphase ermöglichen. Schmerzfrei und umgeben von aufmerksam fürsorglichen Mitmenschen (Hospizbegleiter/innen!). Niemanden allein lassen, zuhören und gut aufeinander schauen. Gemeinschaft und Zuspruch organisieren. Das geht immer! Das sollte immer gehen …

Wenn einer dem anderen hilft, bleibt das auch für den Helfenden nicht ohne nachhaltige Wirkung. Dies bringt der Priester und Religionsphilosoph Romano Guardini (†  1968) poetisch schön und unnachahmlich präzise zur Sprache: „Die Sorge für den Schwachen schützt den Starken selbst. Indem dieser die Hilfsbedürftigkeit des Alten versteht und durch die Rücksichtnahme auf ihn die eigene Lebensungeduld mäßigt, wird er vor vielem bewahrt, das ihn zu Fall bringen kann. Darüber hinaus aber gewinnt er durch solche Sorge ein besseres Verständnis für die Verletzlichkeit des Daseins überhaupt und für jene tieferen Werte, welche durch den Auftrieb des gesunden Lebens so leicht verdeckt werden. Der Mensch, der es ablehnt, dem sinkenden Leben gut zu sein und der fortschreitenden Einengung, die es erfährt, zu Hilfe zu kommen, versäumt eine wichtige Chance, zu verstehen, was überhaupt Leben ist, wie unerbittlich seine Tragik, wie tief seine Einsamkeit und wie sehr wir Menschen miteinander solidarisch sind.“

Vielleicht könnte ein positiver Ertrag der Corona-Pandemie in der Wahrnehmung und Erkenntnis bestehen, wie sehr Menschen miteinander verbunden sind, wie sehr Menschen aufeinander angewiesen sind und wie notwendig Solidarität ist. Der Mensch ist radikal Mitmensch. Corona hält uns einen globalen Spiegel vor Augen: To be in solidarity or not to be …

Gabriele von Arnim, lange Jahre Journalistin in New York, hat ihren Mann Martin Schulze, einen ehemaligen Chefredakteur von ARD, nach zwei folgenreichen Schlaganfällen zehn Jahre hindurch mit allen Höhen und Tiefen umsorgt und gepflegt. Auf die Frage, wie ihr das möglich war, antwortete sie in einem Interview: „Liebe muss sein. Ich denke, es war eine Entscheidung zu lieben.“

Möge doch mehr Liebe in die Welt kommen. Es liegt alles an einer Entscheidung …

Christian Lagger
Geschäftsführer der Elisabethinen und Schatzmeister im Vorstand des Vereins Netzwerk Altersmedizin Steiermark

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